52 $ 73. Das Post- und Telegraphenwesen.
tanen nur auf Wunsch und Willen des letzteren in ein rechtliches
Verhältnis, er begründet dasselbe durch Vertrag, und zwar stets nur
auf Antrag des Einzelnen, der vom Staate die Ausführung eines Trans-
portes verlangt; niemals dagegen durch Befehl, dem der Untertan auch
wider oder ohne seinen Willen gehorchen müßte. Bei allen von der
Post- und Telegraphenanstalt zu verrichtenden Leistungen steht des-
halb der Staat dem einzelnen nicht als übergeordneter Herr, sondern
als gleichberechtigter Kontrahent gegenüber'!).
Aber auch innerhalb der Form des staatlichen Betriebes der
Post lassen sich wieder zwei verschiedene Arten denken. Der Staat
kann die Post in derselben Art verwalten wie die Rechtspflege, Polizei
und Unterricht, als eine gemeinnützige Anstalt, die nicht darauf ein-
gerichtet ist, Geldgewinn abzuwerfen. Diese Art des Betriebes käme
am reinsten und vollkommensten zur Verwirklichung, wenn die Kosten
desselben wie andere Staatsbedürfnisse von der Gesamtheit des Volkes
in der Gestalt von Steuern aufgebracht würden, die Benutzung der
Post dagegen unentgeltlich jedem freistände. Im Gegensatz hierzu kann
die Post aber auch nach Art eines privatwirtschaftlichen Gewerbes,
»gewerbs mäßig«, betrieben werden, d. h. ihre Einrichtungen
können von derArtsein, daßausihrem Betriebe Ge-
winn oder Verlusthervorgeht, daß Kapital und Arbeit zur
Erzielung eines Vermögenserwerbes verwendet werden. Ob der pe-
kuniäre Gewinn das eigentliche M otiv ist, aus welchem ein Gewerbe
betrieben wird, ist für den Begriff des letzteren ganz unerheblich; auch
eine Privatperson kann ein Gewerbe aus ganz anderen Motiven als aus
Gewinnsucht betreiben. Ebenso unerheblich ist es, daß der aus dem
Postbetriebe erzielte Gewinn nicht als Finanzvermögen aufgespeichert,
sondern zur Deckung staatlicher Bedürfnisse verwendet wird; denn
auch der Private, welcher den aus seinem Gewerbe erzielten Gewinn
für wohltätige oder gemeinnützige Zwecke verwendet, bleibt nichts-
destoweniger ein Gewerbetreibender. Ferner ist es unerheblich, daß
der Betrieb nicht bloß finanziellen Gewinn abwirft, sondern auch in
vielen Beziehungen das Öffentliche Wohl fördert und daß die Rück-
sicht auf diese Öffentlichen Interessen bei der Verwaltung von wesent-
licher Bedeutung ist. Denn auch die überwiegende Mehrzahl aller
gewerblichen Privatunternehmungen dient zugleich dem öffentlichen
Wohl, und die Rücksicht auf das letztere kann bei dem Betriebe
ebensosehr von entscheidender Bedeutung sein, wie das egoistische
Finanzinteresse des Unternehmers. Maßgebend für den Begriff
eines Gewerbes bleibt vielmehr allein die planmäßige Vornahme
von Rechtsgeschäften und tatsächlichen Verrichtungen zur Erreichung
1) Vgl. Schellmann, Rechtliche Natur des Postbeförderungsvertrages (Mar-
burg 1861), S.5ff.e. Kompe, Zeitschr. f. das ges. Handelsr. Bd.11,S.38fg. Meyer-
Dochow, Verwaltungsrecht 8 110. Wolcke S.47. Entsch. des Reichsger. Bd. 67,
S. 182. Anderer Ansicht Nawiasky in dem oben S. 42 zitierten Werke.