Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

54 8 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
aber dahin abgeändert worden, daß die Vorschriften des Handelsge- 
setzbuchs über Frachtgeschäfte auf die Beförderung von Gütern durch 
die Postverwaltung des Reichs und der Bundesstaaten keine Anwen- 
dung finden $$ 452, 663. Der Grund ist, wie die Denkschrift zum 
Entwurf des Handelsgesetzbuchs S. 268 ausdrücklich sagt, weil die 
Rechte und Pflichten der Post aus den von ihr übernommenen Be- 
förderungen durch die Bestimmungen des Reichsgesetzes und der 
Postordnung eine so eingehende Regelung erfahren haben, daß ein Be- 
dürfnis für die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften über 
den Frachtvertrag nicht mehr besteht. Hiernach ist die Anwendung 
des Handelsgesetzbuchs nicht ausgeschlossen, weil die Beförderungs- 
geschäfte der Post keine Frachtgeschäfte sind, sondern weil sie durch 
eine lex specialis geregelte Frachtgeschäfte sind'). 
Der Grund, auf welchem die Notwendigkeit zur Schaffung dieses 
Spezialrechtes beruht und aus welchem sich zugleich die verschiede- 
nen Richtungen, in denen die Aufstellung besonderer Rechtsvorschrif- 
ten erforderlich ist, herleiten lassen, ist in einem einzigen Satz ent- 
halten, nämlich darin, daß Post und Telegraphie kein freies Gewerbe 
des Fiskus, sondern öffentliche Verkehrsanstalten des Staates sind’). 
Aus diesem Grundprinzip leiten sich nämlich folgende Sätze ab: 
1. Die Benutzung der Post- und Telegraphenanstalt steht jedem 
frei; sie darf niemandem verweigert werden, der sich den allgemeinen 
Vorschriften für Benutzung derselben unterwirft, und darf für nie- 
manden an erschwerende Bedingungen geknüpft werden. Das ist der 
Kardinalunterschied zwischen einem gewöhnlichen Transportunter- 
nehmer, der mit niemandem zu kontrahieren genötigt ist, mit dem er 
nicht kontrahieren will, und den öffentlichen Verkehrsan- 
stalten, welche zum Dienste des Publikums bestimmt sind?). 
die Postverwaltung als Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs anzusehen ist. 
Entscheidungen Bd. 12, S.311; Bd. 17, S. 127; Bd. 23, S. 11. Die zwingende logische 
Folgerichtigkeit dieser Annahme konnte weder durch bureaukratische noch durch 
publizistische Veilletäten widerlegt werden. Die handelsrechtlichen Vorschriften über 
die Rechte und Pflichten der Kaufleute, z. B. hinsichtlich der Handelsbücher, Inven- 
tarisierung, Firma, Prokura, Handlungsvollmachten, Handlungsgehilfen, Handelsregister 
usw., passen aber auf die staatlichen Postanstalten ebensowenig wie auf andere staat- 
liche Betriebsverwaltungen. Das neue Handelsgesetzbuch $ 452 hat deshalb bestimmt, 
daß die Postverwaltungen des Reichs und der Bundesstaaten nicht als Kaufleute im 
Sinne dieses Gesetzbuchs gelten. Dadurch ist diese Kontroverse erledigt. 
1) Ganz unrichtig ist die Schlußfolgerung von Arndt.a.a.O., daß die Verträge 
der Post, weil sie nicht unter das Handelsgesetzbuch fallen, überhaupt keine „Privat- 
verträge“ sind. _ 
2) Uebereinstimmend das Urt. des Reichsgerichts vom 16. April 1910 (Entsch. 
in Zivils. Bd. 73, S. 270 fg.). 
3) Diese öffentlichen Verkehrsanstalten brauchen aber keineswegs staat- 
liche Anstalten zu sein. Der im Text enthaltene Grundsatz gilt auch von Privat- 
unternehmern Öffentlicher Eisenbahnen, Dampfschiffsbetrieben, Fähren, Droschken, 
internationalen Telegraphenleitungen usw. Er ist bei den Privatunternehmern das 
Korrelat der ihnen erteilten Konzession. Dasselbe Wechselverhältnis bestand in
	        
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