s$ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 59
von der Post nicht verweigert werden, sofern die Bestimmungen des
Postgesetzes und des Reglements beobachtet sind!)., Der Ausdruck
Postsendungen umfaßt alle Transporte, mit denen sich die Post über-
haupt befaßt, ausgenommen die Beförderung von Reisenden. Aber
auch binsichtlich der Reisenden besteht derselbe Grundsatz, wenn-
gleich er im Gesetz nicht ausgesprochen ist; jedoch mit der Be-
schränkung, daß die Annahme von Reisenden wegen mangelnden
Platzes verweigert werden darf? Ebenso »hat jedermann gegen Zah-
lung der Gebühren das Recht auf Beförderung von ordnungsmäßigen
Telegrammen und auf Zulassung zu einer ordnungsmäßigen telepho-
nischen Unterhaltung durch die für den öffentlichen Verkehr
bestimmten Anlagen«°). Diese Grundsätze beruhen auf der Oeffent-
lichkeit der Postanstalt und haben keinen Zusammenhang mit dem
Postzwang. Der Rechtssatz beschränkt sich aber auf die Vorschrift,
daß die Benützung der Post- und Telegraphenanstalt niemandem ver-
wehrt oder im einzelnen Falle an erschwerte Bedingungen ge-
knüpft werden darf. Dagegen ist es der Postverwaltung überlassen,
durch Reglement allgemein die Voraussetzungen für Uebernahme von
Beförderungen zu bestimmen*) und zwar auch hinsichtlich der dem
Postzwange unterworfenen .Gegenstände°’). Die Post steht in dieser
Hinsicht einem Privatunternehmer gleich, der die Bedingungen, unter
denen er zum Abschluß von Geschäften bereit ist, nach eigenem Er-
messen bestimmen kann; und nur darin ist sie von ihm verschieden,
daß sie alle auf Grund der von ihr aufgestellten Bedingungen ihr offe-
rierten Geschäfte abschließen m u.
Eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung hat dieser Grundsatz
im 8 3 des Postgesetzes hinsichtlich des Vertriebes politischer Zeitungen
gefunden. Keineim Gebiete des Deutschen Reiches erschei-
nende politische Zeitung darf vom Postdebit ausgeschlossen werden ;
für alle diese Zeitungen müssen hinsichtlich der Berechnung der Ge-
bühren, welche für die Beförderung und Debitierung zu erheben sind,
gleichmäßige Grundsätze angewendet werden und die Post ist ver-
1) Postgesetz 83. Coermann, Zeitschrift für Eisenbahnrecht Bd.24, S. 411 ff.
(1908).
2) Postordnung $ 51, Nr. V— VIII. Die Zurückweisung von Reisenden, wenn noch
verfügbare Plätze vorhanden sind, oder die Bevorzugung von Reisenden, die sich
später gemeldet haben, vor früher Angemeldeten ist unstatthaft und würde einen
Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beamten begründen.
3) Telegraphengesetz85, Abs.1. Telegraphenordnung $1. Die Reihen-
folge der Beförderung richtet sich nach der Zeit der Aufgabe, vorbehaltlich der regle-
mentsmäßig angeordneten Bevorzugung der Staatsdepeschen und der als „dringlich“
bezeichneten Depeschen. Telegraphenordnung 88 2 u. 8.
4) Postgesetz $ 50, Ziff. 1. Telegraphengesetz $ 5, Abs. 2.
5) Z. B. Maximalgewicht, Format, Adresse, Art des Verschlusses der Briefe, Form
der Anweisungen und Postschecks. Vgl. Postordnung $ 1ff. Abfassung telegraphi-
scher Depeschen. Telegraphenordnung $ 3.