Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 69 
zur gewerbsmäßigen Einsammlung, Beförderung oder Vertei- 
lung von unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen und 
Warenproben, die mit der Aufschrift bestimmter Empfänger versehen 
sind, und bedroht Zuwiderhandlungen mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark 
oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten. 
Der Postzwang erstreckt sich auch auf diejenigen verschlossenen 
Briefe und politischen Zeitungen, welche vom Auslande eingehen und 
nach einem inländischen Ort mit Postanstalt bestimmt sind, oder durch 
das Gebiet des Deutschen Reiches transitieren sollen. Dieselben müssen 
bei der nächsten inländischen Postanstalt zur Weiterbeförderung ein- 
geliefert werden !). 
Die Verletzung des Postmonopols wird mit dem vierfachen Betrage 
des defraudierten Portos, jedoch mindestens mit einer Geldstrafe von 
drei Mark bestraft ?). 
b) Das Telegraphenregal hat erst durch das Reichsgesetz 
über das Telegraphenwesen vom 6. April 1892 eine sichere Rechts- 
grundlage erhalten). Es besteht in der ausschließlichen Be- 
fugnis, Telegraphenanlagen für die Vermittlung von Nachrichten zu 
errichten und zu betreiben) Das Gesetz gibt zwar keine De- 
finition des Begriffs »Telegraph« ; daesaber in$& 1 ausdrücklich bestimmt, 
daß unter Telegraphenanlagen die Fernsprechanlagen mitbegriffen sind, 
so ist dadurch die zurzeit wichtigste Frage entschieden. Das Telegraphen- 
1) Postgesetz $ 1, Abs. 2. 
2) Postgesetz $ 27, Ziff. 1 und dazu Dambach-. GrimmS. 1/5 f. Meves 
S. 865 ff. und besonders Aschenborn S. 231 ff. 
3) Tatsächlich befanden sich die öffentlichen Telegraphen schon vor dem 
Erlaß dieses Gesetzes im ausschließlichen Besitze und Betriebe des Reiches, beziehent- 
lich Bayerns und Württembergs; eine gesetzliche Anerkennung hatte das staatliche 
Telegraphenmonopol aber nur in Sachsen (Gesetz vom 21. September 1855) und in 
Elsaß-Lothringen (Dekret vom 27. Dezember 1851). Man hat zwar versucht, das Mo- 
nopol des Reiches auf Art. 48, Abs. 1 der Reichsverfassung zu stützen ; dieser Artikel 
sagt aber nur, daß das Postwesen und das Telegraphenwesen für das gesamte Gebiet 
des Deutschen Reiches als einheitliche Staatsverkehrsanstalten eingerichtet und ver- 
waltet werden. So wenig Art. 48 ein Postmonopol begründet hat, so wenig hat er 
dem Reich ein ausschließliches Recht auf Errichtung und Betrieb von Tele- 
graphen gegeben. Dieser Artikel betrifft überhaupt nur das Verhältnis zwischen 
dem Reich und den Einzelstaaten, nicht die Rechtssphäre der Individuen. 
Das Gesetz vom 6. April 1892 hat nun diese Streitfrage erledigt. Vgl. über dieselbe 
die zweite Auflage dieses Werkes Bd. 2, S. 68 ff. 
4) Der Inhalt des Rechts besteht nicht darin, daß das Reich, Bayern und Würt- 
temberg solche Anlagen errichten und betreiben dürfen; denn dieses Recht haben 
sie innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Schranken auch ohne besondere gesetz- 
liche Anerkennung, sondern in der Ausschließlichkeit dieses Rechts, d. h. in 
dem durch scharfe Strafdrohungen gesicherten Verbot, daß niemand ohne Erlaub- 
nig des Reiches eine solche Anlage errichte oder betreibe. Daher enthält „das Recht 
zur Errichtung von Telegraphenanlagen“ keinerlei Beschränkungen der Grundeigen- 
tümer und überhaupt keine Verpflichtungen zu irgendwelchen Leistungen oder Unter- 
lassungen, soweit dieselben nicht anderweitig 'rechtsbegründet sind. Telegraphen- 
gesetz 8 14. 
  
 
	        
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