Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 83 
allen Fällen ein vertragsmäßiges, gleichviel, ob der Transport 
entgeltlich oder unentgeltlich ausgeführt wird, und gleichviel, ob dem 
andern Kontrahenten die Wahl zwischen mehreren Transportunter- 
nehmern freistand oder der Postzwang diese Wahl ausschloß '). 
Diese Auffassung ist die althergebrachte, bis in die neueste Zeit 
unangezweifelte communis opinio aller Schriftsteller und aller Gerichte 
und Verwaltungsbehörden und sie liegt der deutschen Reichsgesetz- 
gebung zugrunde. Postgesetz $ 50, (altes) Handelsgesetzbuch Art. 421, 
Abs. 2 und 449. Neuerdings ist ihr aber von mehreren Seiten wider- 
sprochen worden. Vgl. Zorn, Staatsrecht II, S. 274ff.;, O. Mayer, 
Theorie des französischen Verwaltungsrechts S. 325 fg. und deutsches 
Verwaltungsrecht II, 851. Schott. a.0O.S. 539 ff.; Arndt, Staats- 
recht S. 284 ff. 
Die hierfür geltend gemachten Gründe sind meines Erachtens nicht 
stichhaltig?). Daß die Post eine Staatsanstalt ist und ihr Betrieb dem 
öffentlichen Nutzen dient, ist hierfür völlig unerheblich. Denn es be- 
steht kein Hindernis, daß der Staat seine gemeinnützige Aufgabe in der 
Weise löst, daß er privatrechtliche Verträge abschließt und zweck- 
mäßige Einrichtungen zu deren Erfüllung trifft, wie dies auch in vielen 
anderen Verwaltungen geschieht, insbesondere in denen der Eisen- 
bahnen, Forsten, Domänen, Bergwerke usw. Auch muß man unter- 
scheiden zwischen der politischen Würdigung der Postanstalt als solcher 
und der rechtlichen Natur der einzelnen Geschäfte derselben (siehe 
oben S. 50fg... Ebenso unerheblich ist der Gesichtspunkt, daß die 
Post verpflichtet ist, alle reglementsmäßig eingelieferten Sendungen 
zu befördern. Eine solche gesetzliche Verpflichtung zum Abschluß von 
privatrechtlichen Verträgen besteht in zahllosen Fällen, z. B. für alle 
Eisenbahnbetriebsunternehmer, auch für Privatbahnen, ja für jeden, 
der ein öffentliches Fuhrwerk hält, für die Reichsbank hinsicht- 
lich des Ankaufs von Barrengold, für Münzstätten, für Apotheken usw., 
sie ist das Korrelat aller Bannrechte, aller Monopole und zahlreicher 
Konzessionen. Die Behauptung, daß für einen konstitutiven obligato- 
rischen Vertrag kein Raum sei, ist unrichtig. Denn wenn ein Postbe- 
amter eine Postsendung zurückweist, so kann zwar eine Beschwerde 
über ihn wegen Verletzung der Dienstvorschriften, unter gewissen Vor- 
aussetzungen auch eine Schadensersatzklage gegen ihn begründet sein; 
eine Haftung der Postanstalt aber wegen Nichterfüllung einer gesetz- 
lichen Obligation besteht in diesem Falle nicht; dieselbe wird nur 
durch Uebernahme der Sendung zum Transport begründet. End- 
1) Denn der Postzwang ist kein Zwang, sich der Post zu bedienen, sondern 
ein Zwang, sich des Betriebes der der Post vorbehaltenen Transportgeschäfte zu ent- 
halten. Siehe oben S. 66, Note 1. 
2) Vgl. jetzt auch Mittelstein S. 9ff. Seydel, Bayr. Staatsr. III, S. 321. 
G. Meyer a.a. O. und die daselbst Anm. 1 zitierten Schriften. Jaffe S. 221g. 
Aschenborn S. 73.
	        
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