Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

84 $ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
lich ist auch der Grund nicht von Belang, daß die Post Briefe und 
Pakete befördert, ohne daß es auf die Fähigkeit des Absenders zum 
Vertragsabschluß ankommt. Wenn ein Kind einen frankierten Brief in 
den Sammelkasten wirft, wird derselbe allerdings befördert, obgleich kein 
Vertrag abgeschlossen worden ist; dieser Fall ist aber ebenso zu beur- 
teilen, als wenn ein Kind sich in einem Laden für 10 Pfennig Näsche- 
reien geben läßt (sie »kauft«) und sie sofort verzehrt. In solchen Fällen 
ist es eben ganz gleichgültig, ob ein Vertrag zugrunde liegt oder nicht. 
Wenn aber eine Leistungspflicht oder Haftung in Frage steht (z. B. 
ein Wahnsinniger hat der Post eine Anzahl von unfrankierten Paketen 
eingeliefert, welche Ziegelsteine enthalten, und er wird auf Bezahlung 
des Portos in Anspruch genommen, nachdem die Adressaten die An- 
nahme verweigert haben), so zeigt es sich sofort, daß ein Rechtsan- 
spruch der Post nur durch einen rechtswirksamen obligatorischen 
Vertrag begründet wird; denn der Wahnsinnige wird in dem erwähn- 
ten Falle ebensowenig verpflichtet, wie ihm Rechte gegen die Post zu- 
stehen würden, falls dieselbe, von seinem Geisteszustand in Kenntnis 
gesetzt, die Beförderung der von ihm eingelieferten Pakete unterlas- 
sen hat. 
Uebrigens sind die Vertreter der hier bekämpften Ansicht unter 
sich selber uneins. Schott erklärt die Geschäfte der Post für »Pri- 
vatrechtsgeschäfte«, nur nicht für obligatorische Verträge, und er be- 
zeichnet das Rechtsverhältnis ausdrücklich als »Postfrachtgeschäft« ; 
damit wird der Kontroverse die praktische Spitze abgebrochen. Zorn 
bezeichnet S. 274 das Rechtsverhältnis als eine »Obligation des Öffent- 
lichen Rechtes, deren Subsumtion unter privatrechtliche Kategorien 
als prinzipiell (!) unstatthaft erachtet werden muß«; wodurch sich aber 
»Obligationen« des öffentlichen Rechts von anderen »Obligationen« unter- 
scheiden, darüber gibt er wohlweislich keine Auskunft '. Esistin der 
Tat nicht einzusehen, warum die Aufgabe eines Pakets bei der Eisen- 
bahnexpedition etwas so Grundverschiedenes von der Aufgabe eines 
Paketes bei der Postexpedition sein soll oder warum die Bestellung 
einer Zeitschrift, die bei einem Buchhändler unzweifelhaft ein privat- 
rechtliches Geschäft ist, es bei der Post nicht sein soll. Bei weitem 
bedeutender und tiefer begründet sind die Ausführungen von Otto 
Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, $ 51 (S. 318 ff.), dem sich in 
allen Punkten Nawiasky in der S. 42 zitierten Schrift anschließt. 
Er setzt an die Stelle eines mit der Post abgeschlossenen Vertrages 
den Begriff der Anstaltsbenutzung und führt dies mit großem Scharf- 
sinn im einzelnen durch. Allein die Frage ist eben, in welcher juri- 
1) In der ersten Auflage seines Staatsrechts S. 36 sagte er noch ganz unbefangen: 
„Die Post kontrahiert mit dem Absender“; jetzt sagt er (S. 283), der Absender 
tritt mit der Post in ein „öffentlich-rechtliches Obligationsverhältnis“. Das heißt, 
einen klaren Begriff durch eine nichtssagende Redensart ersetzen. — Was Arndt 
a. a. OÖ. zur Begründung seiner Ansicht vorbringt, ist teils falsch, teils unerheblich.
	        
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