Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

$ 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 80 
stischen Form sich die Benutzung der Anstalt vollzieht. Er führt 
selbst S. 322 fg. aus, daß gewisse öffentliche Anstalten öffentlich-recht- 
lich, andere dagegen privatrechtlich betrieben werden; »die Scheidung 
scheint oft ganz willkürlich zu sein« ; »sie läßt sich meist aus geschicht- 
lichen Hergängen erklärene. Nach meiner Ansicht ist die Scheidung 
aber weder willkürlich noch ist der historische Ursprung der ver- 
schiedenen Anstalten und ihre Behandlung in der Vergangenheit ent- 
scheidend. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Anstalt gewerbs- 
mäßig in dem oben entwickelten Sinne betrieben wird oder nicht. 
Daher ist der Begriff des Vertrages ausgeschlossen bei der Anstaltsbe- 
nützung von Schulen, Museen, Bibliotheken, Eichungsämtern usw., 
dagegen ist er anwendbar auf die Benutzung von staatlichen oder 
städtischen Theatern, Gasanstalten, Wasserleitungen, der Reichsbank, 
der preußischen Seehandlung, der Lotterie und namentlich auf alle 
öffentlichen Verkehrsanstalten, die Eisenbahnen und staatlichen Dampf- 
schiffunternehmungen und daher auch auf die Post und die Tele- 
graphie in allen ihren Formen. Man kann eine grundsätzlich ganz 
verschiedene Behandlung der Eisenbahnen und der Post nicht, wie 
Mayer, damit erklären, daß »der Staat die Eisenbahnen den Aktien- 
gesellschaften nachgeahmt (!) oder von ihnen übernommen hat«. Die 
Postanstalt als solche ist eine Institution des öffentlichen Rechts, der 
einzelne Beförderungsvertrag ein Geschäft des Privatrechts. 
Ein Vertragsverhältnis ist nur in denjenigen Fällen nicht begrün- 
det, in denen das Reich sich seiner eigenen Post- und Telegraphen- 
anstalt zur Ausführung von TIransporten bedient, da der Reichsfiskus, 
so wenig wie irgend ein anderes Rechtssubjekt, mit sich selbst in 
Rechtsverhältnisse treten kann. Soweit die Post- und Telegraphenan- 
stalt Transporte von Briefen und anderen Postsendungen oder von 
telegraphischen Depeschen für das Reich ausführt, sind ihre Dienste 
reintatsächlicher Natur; ein Rechtsverhältnis zwischen der 
Post und dem Reiche oder den absendenden Reichsbehörden wird da- 
durch nicht begründet '.. Dagegen stehen die Einzelstaaten, welche sich 
der Reichspost- und Telegraphenanstalt bedienen, derselben wie an- 
dere Personen als Kontrahenten obligatorischer Verträge gegenüber. 
Aus dem an die Spitze gestellten Prinzip ergibt sich, daß .die 
Entrichtung des Portos usw. nicht unter den Gesichtspunkt der Ab- 
gaben gebracht werden darf, sondern juristisch die Leistung einer ver- 
tragsmäßigen Geldschuld ist ?), und daß ebenso die von der Post zu 
1) Dasselbe gilt natürlich von den Diensten der bayerischen Postanstalt für den 
bayerischen Staat und von den Diensten der württemb. Postanstalt für den württemb. 
Staat. 
2) Kompe, Zeitschr. f. das ges. Handelsr. Bd. 11, S.55ff. Schellmanna. 
a.0.8.18. Schott S. 561. Der Ausdruck „Postgebühren“ beweist für die 
rechtliche Natur nichts; auch das Honorar des Rechtsanwalts und Arztes, die Provi- 
sion des Spediteurs und Komissionärs usw. bezeichnet man als Gebühren. Auch das
	        
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