Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

88 & 73. Das Post- und Telegraphenwesen. 
Derselbe Satz findet auch auf die Telegraphenordnung Anwen- 
dung, obgleich er in derselben nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. 
Sie ist, soweit sie die interne Korrespondenz im Gebiete der Reichs- 
telegraphenverwaltung betrifft; in allen Beziehungen dem Postregle- 
ment gleich zu stellen !). 
Die Abgrenzung derjenigen Bestimmungen, welche in der Form 
des Gesetzes zu erlassen sind, von denjenigen, die durch Verwaltungs- 
akte getroffen werden können, ist nicht prinzipiell zu gewinnen, son- 
dern nach finanziellen, politischen, technischen und anderen Erwä- 
gungen. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes Art. 48, Abs. 2 
bestimmte, daß für diese Abgrenzung diejenigen Grundsätze maßgebend 
sein sollten, die damals in der preußischen Post- und Telegraphen- 
verwaltung galten. Das Postgesetz vom 2. November 1867 hat diese 
Grenzen etwas anders gezogen. In der Reichsverfassung Art. 48, Abs. 2 
sind die im Norddeutschen Bunde maßgebend gewesenen Grundsätze 
auf das Reich übertragen worden; das Postgesetz vom 28. Oktober 
1871 hat aber wieder die Anordnungen des Postgesetzes vom 2. No- 
vember 1867 teils ergänzt, teils abgeändert. 
Nach Art. 50, Abs.2 der Reichsverfassung steht dem Kaiser der 
Erlaß der reglementarischen Festsetzungen zu; das Postgesetz vom 
28. Oktober 1871, $ 50 überträgt aber den Erlaß des Reglements dem 
Reichskanzler und erfordert für die unter Z. 2, 4 und 6 bezeichneten 
Gegenstände die Beschlußfassung des Bundesrates. 
Insoweit weder die Spezialpostgesetze noch die auf Grund der vor- 
stehenden Bestimmungen erlassenen Reglements Vorschriften über die 
Geschäfte der Postanstalt enthalten, kommen, nachdem das neue Han- 
delsgesetzbuch die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften über 
das Frachtgeschäft und den Seetransport ausgeschlossen hat, die Re- 
geln des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Werkvertrag (88 631 fl. 
675) zur Anwendung. Das Gleiche gilt von den Rechtsgeschäften der 
Telegraphenanstalt 2). 
1) Die Ansicht von J. Ludewig S. 97, daß die Telegraphenordnung auf Grund 
des Art. 48 der Reichsverfassung „Gesetzeskraft“ habe, ist demnach nicht zutreffend; 
daraus folgt aber nicht, daß sie überhaupt nicht gelte, weil die Verwaltung be- 
stehende Rechtssätze nicht aufheben könne Rechtssätze kann die Verwaltung 
allerdings nicht aufheben, wohl aber, soweit sie nicht jus cogens sind, ihre Anwen- 
dung ausschließen durch Vertragsfestsetzungen. Die Telegraphenordnung gilt 
für die Telegraphenbeamten als Verwaltungsverordnung und im Verhältnis 
zwischen der Telegraphenverwaltung und dem Publikum als Vertragsberedung, 
nicht als Rechtsnorm. Gesetzeskraft kann sie schon aus dem formellen Grunde nicht 
haben, weil sie nicht im Reichsgesetzblatt verkündigt. sondern nur im Zentralblatt 
abgedruckt ist. Vgl. über die Verkündigung der Post- und Telegr.-Ordn. Staedler 
in Hirths Annalen 1912, S. 149 ff. 
2) Auf diese Regeln des allgemeinen bürgerlichen Rechts zurückzugreifen, wird 
allerdings selten Veranlassung sein, weil die Rechtsgeschäfte der Post und Telegra- 
phie durch spezielle Bestimmungen bis in das einzelne sehr genau geregelt sind.
	        
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