Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

& 73. Das Post- und Telegraphenwesen. s9 
Diesen allgemeinen Erörterungen gemäß gelten über das Rechts- 
verhältnis der Post- und Telegraphenanstalt folgende Regeln !). 
A. Verpflichtungen der Postanstalt. 
1. Die Postanstalt ist verpflichtet, die vonihr übernommenen 
Transporte?) ordnungsmäßig und rechtzeitig auszuführen. Dahin ge- 
hört die Absendung der zu befördernden Gegenstände mit der nächsten, 
reglementsmäßigen Gelegenheit, die ununterbrochene Fortsetzung des 
Transportes, sofern die vorhandenen und üblichen Transportmittel dies 
gestatten, die Bewahrung der ihr übergebenen Gegenstände vor Be- 
schädigung und Verlust, und die ordnungsmäßige Ablieferung an den 
auf der Adresse oder dem Frachtbrief (Begleitadresse) genannten Desti- 
natär. Die Postanstalt kontrahiert mit dem Absender; sie ist daher 
nur diesem, nicht dem Adressaten gegenüber zur Erfüllung der auf- 
geführten Verpflichtungen haftbar. Der Adressat kann die Rechte des 
Absenders nur geltend machen, wenn der Absender ihm dieselben 
abgetreten hat. Eine solche Zession liegt in der bloßen Adressierung 
nicht; die letztere ist lediglich die Erklärung des Absenders, an wen 
die Postanstalt den von ihr zu befördernden Gegenstand abzuliefern hat; 
sie ist Bestandteil des zwischen dem Absender und der Postanstalt 
abgeschlossenen Vertrages, weiter nichts). 
Der Absender hat daher die Verfügung über die Sendung, solange 
sie dem Empfänger noch nicht ausgehändigt ist; er kann sie daher bis 
zu diesem Zeitpunkt zurücknehmen oder ihre Aufschrift (Adressaten) 
ändern lassen *). 
2. Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher durch Ver- 
lust oder Beschädigung des Frachtgutes oder durch Verzögerung des 
Transportes entstanden ist. Durch Abschnitt II des Postgesetzes°) ist 
jedoch die Ersatzpflicht der Post teils ganz ausgeschlossen, teils ihrem 
Umfange nach sehr beschränkt, teils an andere Voraussetzungen ge- 
knüpft worden. 
Diese speziellen Bestimmungen beruhen, was die Transportgeschäfte der Post an- 
langt, durchweg auf den Grundprinzipien des Frachtgeschäfts. 
1) Im folgenden sind namentlich diejenigen Punkte herrorgehoben, in denen 
für die Post andere Regeln wie für andere Frachtführer gelten. 
2) Der Vertrag kommt erst zustande, wenn die Sendung eingeliefert und von 
dem zuständigen Postbeamten zur Beförderung angenommenist. Als zuständig 
ist ein Postbeamter legitimiert, wenn er an dem für die Annahme von Postsendungen 
bestimmten Ort die Funktionen eines (Schalter-) Beamten ausübt. Durch die Besitz- 
übergabe der zu versendenden Sache an die Post, z. B. durch Einwerfen des Briefes 
in die Briefkasten, kommt der Vertrag noch nicht zum Abschluß. 
3) Vgl. Mittelstein S. 59 und die daselbst Note 38 angeführten Schriften 
und Ludewig, Telegraphie S. 89. 
4) Weltpostvereinsvertrag Art. 9. Postordnung 8 33. 
5) Der Abschn. II führt die nicht passende Ueberschrift „Garantie“. Es handelt 
sich hier nicht um eine Gewährleistung, sondern um Erfüllung resp. um Schadens- 
ersatz für Nichterfüllung oder nicht ordnungsmäßige Erfüllung des Vertrages. Besser 
wäre die Ueberschrift „Haftung“.
	        
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