Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 102. Die Landwehr. 101 
das bayerische Heer ist eine übereinstimmende Heerordnung vom 
König von Bayern am 26. Dezember 1889 erlassen worden !). 
Für die Organisation der Landwehr gibt es aber gewisse gesetz- 
liche Grundlagen, welche für die Anordnungen des Kaisers maßge- 
bend sind. Dieselben bestehen in folgenden zwei Sätzen: 
1. Für die Landwehrinfanterie gilt die Regel unbedingt, daß sie 
inbesonderen Truppenkörpern forniert und zur Verteidi- 
gung des Vaterlandes als Reserve für das stehende Heer verwendet 
wird ?. Für die Mannschaften der Landwehrkavallerie ist zwar 
prinzipiell derselbe Grundsatz in Kraft, jedoch mit der Einschränkung, 
daß die Formierung in besondere Iruppenkörper nach Maßgabe des 
Bedarfs erfolgt°). Für die Landwehrmannschaften der übrigen Waffen 
ist die Regel ausgeschlossen ; sie werden bei eintretender Kriegsgefahr 
nach Maßgabe des Bedarfs zu den Fahnen des stehenden Heeres ein- 
berufen. Hieraus ergibt sich, daß nicht allen Kadres des stehenden 
Heeres auch Landwehrkadres entsprechen und daß die regelmä- 
Bige Organisation der Landwehr eine Organisation der Landwehrin- 
fanterie ist‘) 
2. Die Militär-Territorialeinteilung ist die Grundlage für die Orga- 
nisation der Landwehr’). Die Landwehrtruppenkörper müssen daher 
bestimmten Bezirken entsprechen, welche als Landwehrbezirke bezeich- 
net werden. Da diese zugleich die Aushebungsbezirke bestimmter For- 
mationen des stehenden Heeres (Brigaden und Regimenter) sind, so 
ergibt sich hieraus eine große Kongruenz zwischen der Organisation 
des stehenden Heeres und der Landwehr. Durch den Wohnsitz 
des Wehrpflichtigen bestimmt sich zunächst der Ort seiner Gestellung, 
ferner in der Regel das Infanterieregiment, bei welchem er seine Dienst- 
pflicht im stehenden Heer zu erfüllen hat, und endlich das Landwehr- 
bataillon, zu welchem er nach Beendigung dieser Dienstpflicht gehört‘). 
Es ist hierdurch einerseits eine Beziehung der Truppenkörper zu ge- 
wissen Landschaften hergestellt, die auch in ihren Bezeichnungen Aus- 
druck gefunden hat, und andererseits eine Verbindung der Linien- 
regimenter und Landwehrbataillone untereinander gesichert, indem 
aufgestellte Theorie von dem ausschließlichen Militärverordnungsrecht des Kaisers. 
Arndt S. 519 erhebt sich zu der Behauptung, daß in dieser Mehrheit von Heer- 
ordnungen die Einheitlichkeit des Heeres zu erkennen ist! 
1) Verordnungsblatt des Kriegsministeriums 1889, S. 33. 
2) Wehrgesetz 8 5, Abs. 2. 3) Wehrgesetz $ 5, Abs. 4. 
4) Für die Landwehr II. Aufgebots gelten diese Regeln nach dem Gesetz vom 
ll. Februar 1888, $ 3, letzter Absatz ebenfalls. 
5) Militärgesetz $ 5, Abs. 3; Gesetz vom 27. Januar 1890. 
6) Eine Ausnahme machen die 9 preuß. Garde-Landwehrregimenter (18 Batail- 
lone), welche keine provinzielle Zusammengehörigkeit und territoriale Ersatzbezirke 
haben. Ihre Organisation ist geregelt durch die Kabinettsordre vom 1. März 
1872 (Armeeverordnungsbl. S. 82), das dazu ergangene Ministerialreskript vom 16. Juli 
1872 (Armeeverordnungsbl. S. 256) und die Kabinettsordre vom 1. Januar 1873 (Armee- 
verordnungsblatt S. 7).
	        
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