Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 104. Die Militärverwaltung. 117 
Kontingentsherrn der Träger der militärischen Gerichtsgewalt, des 
staatlichen imperium, ist, ebenso wie der Graf oder Vogt im Mittelalter 
der Iräger der bürgerlichen Gerichtsgewalt war. So wie dieser aber 
»cum consilio«, »met ordelen« richten sollte, so hat auch der Gerichts- 
herr die ihm zustehende Gerichtsgewalt nach den von den erkennen- 
den Gerichten gefundenen Urteilen auszuüben. Der militärische Ge- 
richtsherr gehört nicht zu dem Spruchgericht, er ist nicht der Vor- 
sitzende desselben und nimmt an den Verhandlungen und der Urteils- 
findung nicht teil; er gleicht aber dem Richter des mittelalterlichen 
Gerichts darin, daß er das erkennende Gericht besetzt!) und beruft?), 
mit der Verhandlung und Entscheidung der einzelnen Sache beauf- 
tragt?) (vum ein Urteil fragt«) und das gefundene Urteil bestätigt und 
für vollstreckbar erklärt?) (»das Urteil ausgibt«). Auch übt er diejeni- 
gen richterlichen Befugnisse aus, in welchen sich die Herrschaft des 
Staates, die vis cogendi, betätigt; er verfügt die Vorführung des Be- 
schuldigten ohne Ladung?°), die einstweilige Enthebung vom Dienst‘), 
die Verhängung der Untersuchungshaft‘) und die Unterbringung in 
eine Irrenanstalt®), die Beschlagnahme des Vermögens?) und die Voll- 
streckung der Strafe!°).. Dagegen ist der Gerichtsherr nicht befugt, an 
den Untersuchungshandlnngen teilzunehmen !!); er darf bei der Haupt- 
verhandlung nicht anwesend sein!?) und die erkennenden Gerichte 
sind hinsichtlich ihrer Verfügungen und Entscheidungen von dem Ge- 
richtsherrn unabhängig’). 
2. Da die Rechte des Gerichtsherrn in seiner militärischen Befehls- 
gewalt wurzeln, so ergibt sich, daß sie seiner Stellung in der Verfas- 
sung des Heeres und der Marine entsprechen und mit Rücksicht auf 
diese abgestuft sind. Hiernach ist die Gerichtsgewalt entweder eine 
niedere oder eine höhere. Die niedere Gerichtsbarkeit erstreckt sich 
nur auf Personen, welche nicht Offizierrang haben '*) und sachlich nur 
auf Uebertretungen und die nur mit Arrest bedrohten militärischen 
Vergehen, soweit nicht die Verhängung einer Ehrenstrafe zu erwarten 
steht!2). Die höhere Gerichtsbarkeit erstreckt sich auf alle unter 
Militärgerichtsbarkeit stehende Personen und umfaßt alle strafbaren 
Handlungen *°). 
3. Aber auch abgesehen von dieser Unterscheidung steht der Ge- 
1) Militärstrafgerichtsordnung $ 41, 53, 68, 79. 
2) Daselbst $ 18, Abs. 3. 3) 8 250, 261, 264, 386 fg. 4) 8 418. 
5) 8 172, Abs. 3, 6) 8 174. 7) 8 175, vgl. $ 277. 
8) $ 217. 9) 8 360. 10) 8 451, 188. 
11) $ 167, Abs. 1. Jedoch ist der Gerichtsherr berechtigt, von dem Stande des 
Verfahrens durch Einsicht der Akten Kenntnis zu nehmen und die ihm zur Aufklärung 
der Sache geeignet scheinenden Verfügungen zu treffen. Auch kann er eine Vervoll- 
ständigung des Ermittlungsverfahrens anordnen. 3 244. 
12) $ 273, Abs. 2. 13) 8 18, Abs. 1. 
14) 8 14. 15) 8 15. Außerdem auf die im 8 16 aufgeführten Vergehen. 
16) 8 17.
	        
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