$ 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 141
Anklage und die Eröffnung der Untersuchung auf Grund einer Erklä-
rung der mit der Kontrolle der Wehrpflichtigen beauftragten Behörde
erfolgt (8 472 a. a. O.).
Wenn ein Wehrpflichtiger durch Entfernung aus dem Bundes-
gebiet sich der Erfüllung der Wehrpflicht entzogen hat und später
wieder zurückkehrt, so entsteht die Frage, inwieweit er nachträglich
zur Erfüllung der Wehrpflicht und insbesondere der aktiven Dienst-
pflicht im Heere oder in der Flotte angehalten werden kann. In die-
ser Beziehung sind drei Fälle zu unterscheiden. Entweder hat die
Entfernung den Verlust der Reichsangehöriskeit nicht nach sich ge-
zogen, indem sie den Erfordernissen der 88 25, 26, 29 des Gesetzes
vom 22. Juli 1913 nicht entsprochen und mit der Entlassung nicht
verbunden war — alsdann dauert auch die Wehrpflicht ununterbro-
chen fort und der Wehrpflichtige kann zur nachträglichen Erfüllung
derselben '!) als unsicherer Heerespflichtiger in die Armee eingereiht
werden. Oder der Auswanderer hat die Reichsangehörigkeit aufge-
geben und eine fremde sStaatsangehörigkeit erworben und kehrt als
Bürger eines fremden Staates zurück — alsdann ist er im Deutschen
Reiche nicht wehrpflichtig. Der dritte Fall endlich ist der, daß der
zurückkehrende Deutsche die Reichsangehörigkeit zwar verloren, eine
andere Staatsangehörigkeit aber nicht erworben oder wieder ver-
loren hat. In diesem Falle lebt die Wehrpflicht wieder auf und mit-
hin auch die Militärpflicht, als wäre er reichsangehörig?). Auch Per-
sonen des Beurlaubtenstandes, welche nach erfolgter Auswanderung
vor vollendetem 31. Lebensjahr wieder naturalisiert werden, sind eben-
falls wieder wehrpflichtig und treten in denjenigen Jahrgang ein, dem
sie ohne die stattgehabte Auswanderung angehört haben würden’).
7. Die Erfüllung der Wehrpflicht ist auch außer den erwähnten
Bestimmungen über die Auswanderung durch eine Anzahl von Straf-
drohungen gesichert. Die meisten derselben betreffen die einzelnen
in der allgemeinen Wehrpflicht enthaltenen Verpflichtungen und kön-
nen daher erst bei Erörterung der letzteren dargestellt werden; auf
die Wehrpflicht im allgemeinen aber*) beziehen sich folgende Vor-
schriften : .
a) »Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung
oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht
oder durch einen anderen untauglich machen läßt, wird mit Gefäng-
nis nicht unter einem Jahr bestraft; auch kann auf Verlust der bür-
gerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Dieselbe Strafe trifft denjeni-
gen, welcher einen anderen auf dessen Verlangen zur Erfüllung der
1) Militärgesetz $ 33, Abs. 2. Siehe unten.
2) Militärgesetz $ 11 in der Fassung des Gesetzes vom 22. Juli 1913.
3) Militärgesetz $ 68; Gesetz vom 11. Februar 1888, $ 11.
4) Also auch auf die Landsturmpfllcht.