Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 163 
a) Die Verpflichtung zum Dienst im stehenden Heere oder in der 
Flotte beginnt bereits mit dem 1. Januar desjenigen Kalenderjahres, 
in welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet‘). Ob- 
wohl dem Wortlaut nach zwischen dieser Bestimmung und dem Art. 59 
der Reichsverfassung keine volle Uebereinstimmung besteht, so ver- 
mindert sich doch tatsächlich dieser Widerspruch dadurch, daß die 
im Laufe eines Jahres für das aktive Heer ausgehobenen Wehrpflich- 
tigen in der Regel erst im letzten Quartal desselben Jahres in das 
Heer eingestellt werden ?). 
b) Die Dienstzeit wird von dem Tage des wirklich erfolgten Dienst- 
antritts berechnet, jedoch mit der Maßgabe, daß diejenigen Mann- 
schaften, welche in der Zeit vom 2. Oktober bis 31. März eingestellt 
werden, als am vorhergehenden 1. Oktober eingestellt gelten °). Hier- 
durch tritt eine Verminderung der aktiven Dienstzeit ein. Anderer- 
seits kann die Entlassung eingeschiffter Mannschaften der Marine, 
wenn den Umständen nach eine frühere Entlassung nicht ausführbar 
ist, bis zur Rückkehr in Häfen des Bundes verschoben werden ?). 
Die Dienstzeit der als unsichere Heerespflichtige außerterminlich 
eingestellten Militärpflichtigen wird erst vom nächstfolgenden Rekru- 
teneinstellungstermine ab gerechnet?) und die Zeit einer Freiheitsstrafe 
von mehr als sechs Wochen wird auf die gesetzliche Dienstzeit im 
stehenden Heer oder in der Flotte nicht angerechnet °). 
c) Vor Ablauf der gesetzlichen Dienstzeit können Wehrpflichtige 
aus dem aktiven Dienst entlassen werden, und zwar entweder zur 
Disposition des Truppenteils oder zur Disposition der Ersatzbehörden. 
Beurlaubungen zur Disposition des Truppen- 
oder Marineteils sind statthaft, sofern die entstehenden Vakan- 
zen durch Einstellung von Rekruten oder Freiwilligen gedeckt werden 
können. Für die Auswahl der Mannschaften ist Lebensalter, sowie 
1) Wehrgesetz $ 6, Abs. 1. Militärgesetz 8 10. Es ist jedoch jedem jungen 
Manne überlassen, schon nach vollendetem 17. Lebensjahre, wenn er die nötige mo- 
ralische und körperliche Qualifikation hat, freiwillig in den Militärdienst einzu- 
treten. Wehrgesetz $ 10. Wer von diesem Recht Gebrauch macht, kann den Trup- 
penteil, bei welchem er seiner aktiven Dienstpflicht genügen will, auswählen. Wehr- 
gesetz $ 17, Abs.2. Militärgesetz $ 14, Abs. 4 (Novelle vom 6. Mai 1880). Die näheren 
Vorschriften über den freiwilligen Eintritt zum zwei-, drei- oder vierjährigen, bei der 
Marine auch zum fünf- oder sechsjährigen aktiven Dienst enthält die Wehrordnung 
8 84-87. Marineordnung $ 29—33. 
2) Bericht der Kommission des Reichstages zum Wehrgesetz $ 6. Eine wört- 
liche Ausführung des Art. 59 der Reichsverfassung, d.h. die Einstellung jedes Wehr- 
pflichtigen in das Heer an dem Tage, an welchem er das 20. Lebensjahr vollendet, 
ist aus technischen Gründen der Rekrutenausbildung untunlich; die Einstellung des 
jährlichen Ersatzes muß an einem einheitlichen Termin erfolgen. 
3) Wehrgesetz 8 6, Abs. 3. 
4) Wehrgesetz $ 6, Abs. 4. Marineordnung 8 16, Ziff. 7. 
5) Militärgesetz 8 33, Abs. 2 a. E. 
6) Militärstrafgesetzbuch 8 18. 
 
	        
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