Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

174 $ 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 
b) Personen des Beurlaubtenstandes (der Reserve oder Landwehr), 
welche nach bekannt gemachter Kriegsbereitschaft oder nach ange- 
ordneter Mobilmachung ihrer Einberufung zum Dienste oder einer 
öffentlichen Aufforderung zur Stellung nicht binnen drei Tagen nach 
Ablauf der bestimmten Frist Folge leisten, werden mit Freiheitsstrafe 
von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft!.. Wer der Einberu- 
fung den Gehorsam in der Absicht verweigert, sich dauernd seiner 
Verpflichtung zum Dienste zu entziehen, wird wegen Fahnenflucht 
(Desertion) bestraft?). Wer eine Person, welche zum Beurlaubtenstande 
gehört, auffordert und anreizt, der Einberufung zum Dienste nicht zu 
folgen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft °). 
c) Die Mannschaften der Reserve werden zu den Truppenteilen 
des stehenden Heeres behufs Verstärkung derselben einberufen; da- 
gegen wird die Landwehrinfanterie in besonderen Truppenkörpern 
formiert und dasselbe geschieht im Kriegsfalle nach Maßgabe des Be- 
darfs mit den Mannschaften der Landwehrkävallerie*). Auf diesem 
Satze beruht die große tatsächliche Verschiedenheit, die trotz der for- 
mell-juristischen Gleichartigkeit zwischen der Reservepflicht und der 
Landwehrpflicht besteht und zu ihrer scharfen Unterscheidung im 
Art. 59 der Reichsverfassung, sowie in $S6 und 7 des Wehrgesetzes An- 
laß gegeben hat; denn die Linientruppen des stehenden Heeres finden 
im Falle eines Krieges in erster Reihe Verwendung, während die be- 
sonders formierten Landwehrtruppenkörper nach ausdrücklicher An- 
ordnung des Wehrgesetzes »zur Verteidigung als Reserve für das 
stehende Heer verwandt werden sollene. Im Frieden befinden sich 
die Personen der Reserve und Landwehr als »Beurlaubte« im gemein- 
samen Gegensatz zu den Personen des aktiven Heeres und bilden zu- 
sammen eine fast gleichartige Klasse der Wehrpflichtigen; im Kriege 
wächst die Reservemannschaft den Truppenkörpern der Linie zu und 
bildet gemeinsam mit der bei denselben ihre Dienstpflicht erfüllenden 
Mannschaft als »stehendes Heer« einen gemeinsamen Gegensatz zu der 
Landwehr. Der Gegensatz beruht aber — wie bemerkt — nicht auf 
einer juristischen Verschiedenheit in der Normierung der Dienstpflicht, 
sondern auf einer militärisch-technischen Verschiedenheit in der Aus- 
nützung derselben. Der Unterschied ist daher auch nicht streng inne- 
gehalten. Zunächst fällt bei den Spezialwaffen die Bildung besonderer 
Landwehrtruppenkörper ganz fort; die Landwehrmannschaften der- 
kömmlichen Personen sind für die Dauer des Krieges vom Waffendienst zurück- 
gestellt und können nur mit Genehmigung des Staatssekretärs des Reichsmarineamts 
einberufen werden. Marineordnung $ 53, Ziff. 8. 
1) Militärstrafgesetzbuch $ 68. 2) Militärstrafgesetzbuch $ 69 ff. 
3) Reichsstrafgesetzbuch $112. Personen des Soldatenstandes, wel- 
che einen anderen zur Fahnenflucht vorsätzlich verleiten, werden nach $ 78 des Mili- 
tärstrafgesetzbuchs bestraft; auf Anreizung zum Ungehorsam finden die Anordnungen 
des Militärstrafgesetzbuchs $ 99 ff. Anwendung. 
4) Wehrgesetz 8 5, Abs. 2 u. 4.
	        
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