Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

178 8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 
hinter die letzte Jahresklasse Zurückgestellten in keinem Aushebungs- 
bezirk fünf Prozent der vorhandenen Ersatzreservisten übersteigen 
darf). 
VII. Die Landsturmpflicht. 
Der Landsturm besteht aus allen Wehrpflichtigen vom vollen- 
deten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre, welche weder dem 
Heere noch der Marine angehören’). Die Landsturmpflicht ist dem- 
nach eine generelle und subsidiäre Dienstpflicht, die 
letzte und allgemeinste Verwirklichung der Wehrpflicht®). Der Land- 
sturm ersten Aufgebotes entspricht im allgemeinen der Ersatzreserve, 
der Landsturm zweiten Aufgebotes, der aus militärisch ausgebildeten 
Personen besteht, der. Landwehr und kann zutreffend als die Land- 
wehr dritten Aufgebotes bezeichnet werden ?). 
Wenn der Landsturm nicht aufgeboten ist, dürfen die Landsturm- 
pflichtigen keiner militärischen Kontrolle oder Uebung unterworfen 
werden 5); die Landsturmpflicht enthält demnach keinerlei aktive 
Dienstverpflichtung. Sobald dagegen das Aufgebot ergangen ist, 
finden auf die von demselben betroffenen Landsturmpflichtigen die 
für die Landwehr geltenden Vorschriften Anwendung °). Sie wer- 
den also zunächst so angesehen, als gehörten sie zum Beurlaub- 
tenstande; sie stehen unter der Kontrolle der Landwehrbehörden; 
sie sind der Meldepflicht, der Gestellungspflicht zu Kontrollversamm- 
lungen unterworfen, sie müssen einer Einberufungsordre Folge leisten ; 
die Militärgesetze und die Disziplinarordnung finden auf sie Anwen- 
dung. Die Einberufung der durch kaiserliche Verordnung aufgebotenen 
Kategorien landsturmpflichtiger Personen erfolgt durch die Landwehr- 
behörden’). Die einberufenen Landsturmpflichtigen gehören zun 
aktiven Heered) und auf sie finden alle Regeln von der aktiven 
Dienstpflicht in vollem Umfange Anwendung. Die Einberufung er- 
folgt nach Jahresklassen, mit der jüngsten beginnend, soweit die militäri- 
schen Interessen dies gestatten ?). Dem Aufruf unterliegen diejenigen Per- 
1) Ebendaselbst 8 16. 2) Gesetz vom 11. Februar 1888, & 24. 
3) Nur soweit die allgemeine Wehrpflicht reicht, besteht eine gesetzliche Rege- 
lung und militärische Organisation der bewaffneten Macht. Es wird dadurch 
zwar keineswegs das Recht des Staates ausgeschlossen, im Falle äußerster Not und 
Gefahr alle Kräfte der Nation zur Landesverteidigung aufzubieten; ein solcher Akt 
ist aber nicht durch allgemeine Rechtssätze geregelt, sondern beäarf in jedem ein- 
zelnen Falle der Normierung. 
4) Siehe oben $ 103. 
5) Gesetz vom 11. Februar 1888, S 31. 
6) Ebendaselbst $ 26. Dies erstreckt sich auch auf die Unterstützung ihrer hilfs- 
bedürftigen Familien. 
7) Wehrordnung S$ 121. 8) Militärgesetz S 38B, Ziff. 2. 
9) Gesetz vom 11. Februar 1888, $ 27, Abs. 1. Eine strenge Durchführung 
des Prinzips würde die Folge haben, daß erst alle Wehrpflichtigen vom 17. bis 20. Le- 
bensjahre, also lauter nicht militärisch ausgebildete und zum Teil körperlich noch
	        
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