8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 179
sonen nicht, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen
dauernd dienstunbrauchbar befunden worden sind').
Werden Landsturmpflichtige aus dem aktiven Dienst entlassen,
olıne daß das Aufgebot zum Landsturm selbst aufgehoben wird, so
treten sie in den Beurlaubtenstand zurück und verbleiben unter Kon-
trolle der Landwehrbehörden?). Nach Erlaß des Aufrufs bis zur Auf-
lösung des Landsturms findet ein Uebertritt vom ersten zum zweiten
Aufgebot, sowie ein Ausscheiden aus dem Landsturm nicht statt°);
im Falle der Auflösung der betreffenden Formationen hört das
Militärverhältnis der Landsturmpflichtigen mit Ablauf des Tages der
Entlassung auf‘).
VII. Die Dienstpflicht der Einjährig-Freiwilligen
und der Offiziere des Beurlaubtenstandes.
1. Begriffund juristische Natur. Der Dienst als Einjäh-
rig-Freiwilliger ist eine Modifikation der Erfüllung der gesetz-
lichen Wehrpflicht. Die Dienstpflicht ist keine freiwillig übernom-
mene, sondern eine Untertanenpflicht; der Rechtsgrund derselben ist
nicht der Dienstvertrag, sondern das Gesetz; im allgemeinen finden
daher nicht die Vorschriften,. welche über die vertragsmäßig übernom-
mene Dienstpflicht (der Kapitulanten, Offiziere usw.) gelten, sondern
die Rechtsregeln von der gesetzlichen Wehrpflicht Anwendung. Aber
die Dienstpflicht ist nicht die regelmäßige und gewöhnliche, sondern
eine besonders geartete. Diese Modifikation besteht teils in Erschwe-
rungen, indem der Wehrpflichtige für seine Bekleidung, Ausrüstung
und Verpflegung auf eigene Kosten Sorge tragen muß, teils in Erleich-
terungen, unter denen die wichtigsten und hervorragendsten die Wahl
des Truppenteils und die Verkürzung der aktiven Dienstzeit im Frie-
den auf Ein Jahr sind. Diese besondere Art der Dienstleistung
beruht auf dem freien Willen des Wehrpflichtigen; sie wird ihm durch
das Recht gestattet, aber nicht abgenötigt. Auf einem Konsens’)
beruht also nicht die Dienstpflicht an sich, sondern die Modifikation
der Erfüllung derselben; und nurin dieser Hinsicht steht der Dienst
der Einjährig-Freiwilligen juristisch den freiwillig begründeten Militär-
verhältnissen gleich. Die praktische Verwirklichung dieses Grundsatzes
besteht darin, daß kein Wehrpflichtiger, in dessen Person die Voraus-
setzungen zum einjährig-freiwilligen Dienst begründet sind, rechtlich
nicht taugliche Personen einberufen werden müßten, bevor man über den ältesten
Jahrgang der Landwehr und Ersatzreserve hinausgreifen dürfte. Eine solche Konse-
quenz ist durch die Klausel „soweit die militärischen Interessen dies gestatten“ ab-
gewendet.
1) Militärgesetz $ 15; Gesetz vom 11. Februar 1888, $ 27, Abs. 2.
2) Wehrordnung $ 121, Ziff. 2d.
3) Gesetz vom 11. Februar 1888, $ 27, Abs. 3.
4) Ebendaselbst $ 33, Abs. 2.
5) Nicht auf einem obligatorischen Vertrage im Sinne des Privatrechts.