Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

184 8 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 
stehenden Heer wird durch die Verkürzung der aktiven Dienstzeit 
nicht berührt; die Reservepflicht dauert demnach bei den Einjährig- 
Freiwilligen sechs Jahre, nach deren Ablauf die fünfjährige Verpflich- 
lung zum Dienst in der Landwehr ersten Aufgebots beginnt. Prinzipiell 
gelten nun auch für Wehrpflichtige, welche ihre aktive Dienstpflicht 
als Einjährig-Freiwillige erfüllt haben, die allgemeinen Regeln über die 
Reserve- und Landwehrpflicht ohne alle Ausnahme; es kann jedoch 
eine Abweichung in der Erfüllung dieser Pflicht dadurch eintreten, 
daß sie zu Offizieren der Reserve oder Landwehr ernannt werden !). 
Die Dienstpflicht der Reserve- und Landwehroffiziere 
hat juristisch vollkommen denselben Charakter wie die aktive Dienst- 
pflicht der Einjährig-Freiwilligen, d. h. sie ist eine modifizierte 
Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht. Der Reserve- 
offizier fällt daher nicht wie der Berufsoffizier unter die Rechtskategorie 
der Beamten, sondern er gehört zu den ihrer gesetzlichen 
Wehrpflicht genügenden Untertanen. Diese Untertanenpflicht erfüllt. 
er aber in einer besonderen, teils Erschwerungen, teils Erleichterungen 
in sich schließenden Art, und deshalb ist ein Konsens zwischen 
dem Wehrpflichtigen und dem Kontingenisherrn (resp. dem die Rechte 
desselben auf Grund von Militärkonventionen ausübenden Könige von 
Preußen) erforderlich, damit diese besondere Art der Erfüllung 
an die Stelle der allgemeinen trete. Niemand kann wider seinen 
Willen zum Reserveoffizier ernannt und zur Erfüllung der mit dieser 
Stellung verbundenen Pflichten genötigt werden. In dieser Hinsicht 
besteht allerdings zwischen dem Rechtsverhältnis, in welchem der 
Berufsoffizier zu seinem Dienstherrn steht, und dem Rechtsverhältnis 
des Reserve- und Landwehroffiziers Gleichheit ?). Die Grundlage des 
ganzen Verhältnisses bleibt aber immer die gesetzliche Wehrpflicht. 
Die Voraussetzungen zur Erlangung des Charakters eines 
Reserve- oder Landwehroffiziers sind außer dem Erwerb des Quali- 
fikationsattestes zum Offizier folgende: Die »Offizieraspiranten« müssen 
nach ihrer Entlassung aus dem aktiven Dienst eine achtwöchige Uebung 
absolvieren, um ihre dienstliche und außerdienstliche Befähigung zum 
Offizier darzutun; am Schluß der Dienstleistung trägt der Befehlshaber 
des 'Truppenteiles, bei welchem sie die Uebung machen, in das Ueber- 
weisungsnationale ein, ob er einverstanden sei, daß der betreffende 
Offizieraspirant in Vorschlag gebracht werde°). Hierauf muß sich der 
1) Wehrgesetz $ 11a. E. 
2) Dies übersieht G. Meyer in Hirths Annalen 1876, S. 669. Was derselbe 
Annalen 1880, S. 350 zur Rechtfertigung seiner Ansicht ausführt, ist meines Ermessens 
ohne Belang. Daß der Wehrpflichtige zum Militärdienst einberufen wird, beruht 
auf dem Gesetz; daß er aber zum Offizierdienst einberufen werden könne, 
erfordert einen Konsens. Meyer hat sich jetzt dieser Ansicht angeschlossen. Ver- 
waltungsrecht II, S. 129. 
3) Heerordnung $ 45fg.; Marineordnung $ 56. Schon nach den ersten Wochen 
der Uebung darf zum Vizefeldwebel oder Vizewachtmeister resp. Vizesteuermann,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.