188 $S 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht.
bekleiden zugleich auch eine bestimmte Dienststelle und führen
das derselben entsprechende Kommando; sie können daher nicht
durch bloßen Wechsel des Aufenthalts oder der Niederlassung ohne
weiteres in ein anderes Kontingent eintreten, sondern sie müssen,
wenn besondere Verhältnisse einen solchen Uebertritt ausnahmsweise
als zulässig erscheinen lassen, aus ihrem bisherigen Dienstverhältnis
den Abschied und in dem Kontingent ihres neuen Wohnorts die Wie-
derernennung zum Offizier des Beurlaubtenstandes nachsuchen').
Durch diese besondere Dienststellung, in welcher Offiziere des Beur-
laubtenstandes sich befinden, ist auch die Rechtsvorschrift begründet,
daß denselben die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit, wenn sie
nicht die Staatsangehörigkeit in einem andern Bundesstaat besitzen
und sich vorbehalten, nicht erteilt werden darf, hevor sie aus dem
Dienst entlassen sind?).
8 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht.
I. Begriffund rechtliche Natur.
1. Die gesetzliche Wehrpflicht ist, weil sie eine Untertanenpflicht
ist, zeitlich begrenzt; der aktive Dienst bei den Fahnen soll die Ver-
folgung eines bürgerlichen Lebensberufs und die Ausübung einer wirt-
schaftlichen Erwerbstätigkeit nicht dauernd verhindern. Gerade aus
diesem Grunde ist aber die allgemeine Wehrpflicht zur vollen Befrie-
digung der Militärbedürfnisse des Staates nicht ausreichend. Der Staat
bedarf Personen, welche, sich berufsmäßig dem Militärdienst widmen,
welche sich für denselben ausbilden und vorbereiten, in ihm ihre
Lebensaufgabe erblicken und in ihm ausharren. Es ist allbekannt und
bedarf keiner weiteren Ausführung, wie zahlreiche und wesentliche Auf-
gaben des Heerwesens nur durch solche Personen erfüllt werden können.
Der berufsmäßige Dienst im Heere ist aber wie jeder Beruf ein frei-
willig übernommener; niemand kann gegen seinen Willen oder ohne
seine ausdrückliche Zustimmung dazu genötigt werden. Eine Pflicht,
andere oder längere Dienste im Heere zu leisten als die allen wehr-
pflichtigen Untertanen obliegenden, kann daher nur durch einen
Willensakt, durch ein Rechtsgeschäft, begründet werden’); es ist
1) Den Offizieren sind die Sanitätsoffiziere vollkommen gleichgestellt. Verord-
nung vom 6. Februar 1873, $ 24, 27.
2) Mititärgesetz $ 60, Ziff. 1; Heerordnung $ 51, Ziff. 8 u.9; Marineordnung $ 61,
Ziff. 6 u. 7; Staatsangehörigkeitsgesetz $ 22, Ziff. 5. Die Verletzung dieser Vorschrift
ist nach $ 140, Ziff. 2 des Reichsstrafgesetzbuchs zu bestrafen. Uebereinstimmend
Militärgesetz 8 60, Ziff. 2. Hinsichtlich des Verfahrens vgl. Strafprozeßordnung $ 470 fg.
3) Dies gilt auch von denjenigen Personen, welche auf einer Militärbildungsan-
stalt auf öffentliche Kosten ihre Ausbildung genossen haben und dafür verpflichtet
sind, außer der gesetzlichen Dienstzeit eine gewisse Zeit im stehenden Heere oder
in der Marine zu dienen. Sie übernehmen diese Verpflichtung freiwillig bei der
Aufnahme in die Bildungsanstalt und stellen in der Regel darüber eine Urkunde aus,