Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht. 195 
nur wie alle anderen Staatsbeamten verpflichtet, Sitte, Zucht und Ord- 
nung in ihrem dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten zu beob- 
achten, und sie unterliegen nicht nur bei einer Verletzung dieser Pflicht 
einer disziplinarischen Bestrafung nach Maßgabe der Disziplinarstraf- 
ordnung vom 31. Oktober 1872, sondern sie sollen in ihrem gesamten 
Verhalten sich in vollem Einklange mit den Anschauungen ihrer 
Standesgenossen befinden. Um die Erfüllung dieser Pflicht zu sichern, 
sind Ehrengerichte der Offiziere gebildet worden, welche den Zweck 
haben, die gemeinsame Ehre der Genossenschaft, sowie die Ehre des 
einzelnen zu wahren. Die Vorschriften darüber sind ergangen in der 
Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere im 
preußischen Heere vom 2. Mai 1874'), welche an die Stelle 
der älteren Vorschriften, namentlich der Verordnung vom 20. Juli 1843, 
getreten und in den anderen drei Kontingenten eingeführt worden ist); 
in der Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere in der 
Marine vom 20. März 1899°), in der Verordnung für die Sanitäts- 
offiziere des Heeres vom 9. April 1901) und in der Verordnung vom 
3. Juni 1901 für die Sanitätsoffiziere der Marine’). Von diesen Ver- 
ordnungen erschien auf Grund der Kabinettsordre vom 15. Juli 1910 
ein Neudruck, welcher die inzwischen ergangenen Abänderungen 
und Ergänzungen enthält. Die Aufgabe der Ehrengerichte ist es, gegen 
diejenigen Offiziere, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühl oder 
den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht, einzuschreiten 
und, wo es zur Erhaltung der Reinheit der Ehre des Offizierstandes 
nötig, auf die Entfernung unwürdiger Mitglieder aus der Genossen- 
schaft anzutragen ; sowie die Offiziere von unbegründeten Verdächti- 
gungen ihrer Ehrenhaftigkeit zu reinigen, insofern andere standesge- 
mäße Wege hierzu nicht vorhanden sind. Den Offizieren steht es da- 
her frei, zum Schutz ihrer eigenen Ehre selbst auf einen ehrengericht- 
lichen Spruch anzutragen $). Die Ehrengerichte zerfallen in zwei Klas- 
sen: in Ehrengerichte über Hauptleute (Rittmeister) und Subaltern- 
1) Sieist abgedrucktbeiv. Helldorff, Dienstvorschriften Bd. 4, Abt. 4, S. 228 ff. 
Gleichzeitig ist eine Allerh. Kabinettsordre ergangen, welche in ebenso beredten wie 
eindringlichen Worten dem Offizierkorps die ihm obliegenden Ehrenpflichten ein- 
schärft. Abgedruckt bei v. Helldorffa.a. O.S. 246ff. Eine entsprechende Ver- 
ordnung über die Ehrengerichte der Offiziere in der kaiserl. Marine ist am 2. Novem- 
ber 1875 sanktioniert worden. Marineverordnungsbl. Beilage zu Nr. 21. Eine Ergän- 
zung haben diese Verordnungen erhalten durch die Kabinettsordre vom 1. Januar 
1897 über die Verhütung von Zweikämpfen unter Offizieren, durch welche 
ein Verfahren vor dem Ehrenrat angeordnet worden ist. 
2) In Bayern durch Verordnung vom 31. August 1874. Bayer. Militärverord- 
nungsbl. S. 253. 
3) Marineverordnungsbl. 1899, Anlage zu Nr. 10. Ergänzung vom 30. September 
1899, Marineverordnungsbl. S. 273. 
4) Armeeverordnungsbl. 1901, S. 161. 
5) Anlage zu Nr. 11 des Marineverordnungsbl. von 1901. 
6) Verordnung vom 2. Mai 1874, $S 2 und 8 26.
	        
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