Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht. 205 
b) Ohne Anspruch aufPension und Ehrenrechte. 
Ein formelles Recht des Offiziers, seinen Abschied nach Belieben zu 
verlangen, ist nicht anerkannt; es hängt von der Entschließung des 
Kontingentsherrn ab, ob dieselbe gewährt werde oder nicht. Wenn 
der Offizier mit Rücksicht auf die von ihm genossene Ausbildung in 
Militärerziehungsanstalten zu einem aktiven Dienst von gewisser Dauer 
verpflichtet ist, so muß er diese Verpflichtung erst erfüllen, bevor er 
seine Entlassung fordern darf. Hat er seine gesetzliche Dienst- 
zeit noch nicht zurückgelegt, so wird er nicht verabschiedet, sondern 
zunächst zu den Offizieren des Beurlaubtenstandes versetzt. Wenn 
der Offizier jedoch die zwölfjährige Dienstzeit erfüllt hat und den Ab- 
schied verlangt, ohne Ansprüche auf Pension und militärische Ehren- 
rechte zu erheben, oder wenn er vor Erfüllung der gesetzlichen Ge- 
samtdienstzeit dringende persönliche Gründe zur Rechtfertigung 
seines Abschiedsgesuchs anführen kann, so wird ihm die Entlassung 
schwerlich verweigert, da dieselben Gründe, welche es als untunlich 
erscheinen lassen, jemanden wider seinen Willen im Zivilstaatsdienste 
zurückzuhalten, in erhöhtem Grade auch bei Berufsoffizieren wirk- 
sam sind. Abgesehen von diesem, im allgemeinen nicht häufigen und 
praktisch nicht belangreichen Falle tritt die Verabschiedung ohne Pen- 
sion und Ehrenrechte nur zur Strafe ein und zwar auf Grund eines 
Urteils. Diese Ehrenstrafe hat mehrere Abstufungen. 
@) Die Entfernung aus dem Heere oder der Marine Gegen 
Offiziere muß auf diese Strafe erkannt werden neben Zuchthaus oder 
dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ohne Rücksicht auf die 
Dauer derselben, und in allen Fällen, wo gegen Unteroffiziere oder 
Gemeine die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes ge- 
boten ist. Auf diese Strafe kann erkannt werden neben Gefängnis 
von längerer als fünfjähriger Dauer und in allen Fällen, wo gegen 
Unteroffiziere oder Gemeine die Versetzung in die zweite Klasse des 
Soldatenstandes zulässig ist!). Sie tritt ferner ein, wenn ein Spruch 
des Ehrengerichts, der den Offizier der Verleizung der Standesehre 
unter erschwerenden Umständen für schuldig erklärt, die Allerhöchste 
Bestätigung erhalten hat’). Sie bewirkt das völlige Ausscheiden aus 
dem Heer oder der Marine und hat von Rechts wegen den Verlust 
aller durch den Militärdienst erworbenen Ansprüche, soweit dieselben 
durch Richterspruch entzogen werden können, den dauernden Verlust 
der Orden und Ehrenzeichen, die Verwirkung des Rechts, die Offizier- 
uniform zu tragen und den Offiziertitel zu führen, und die Unfähig- 
nach der ratio legis anzunehmen, wenn sie in der Militäruniform gegen die 
Vorschriften im $ 28, Ziff. 2 u. 3 der Disziplinarstrafordnung sich vergehen. 
1) Militärstrafgesetzbuch $ 31 und hierzu Koppmann Note 7—9. Vgl. ferner 
Reichsstrafgesetzbuch $& 31, 33. 
2) Verordnung über die Ehrengerichte vom 2. Mai 1874, $ 51, Ziff. 6.
	        
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