Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

& 96. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen. 19 
2. Das Subjekt des Verordnungsrechts. 
Schwieriger und verwickelter als die Feststellung des Umfanges 
ist die Beantwortung der Frage, wer zum Erlaß der Militärverord- 
nungen befugt ist. Es unterliegt zwar keinem Zweifel, daß Art. 7, 
Ziff. 2 der Reichsverfassung, wonach der Bundesrat über die zur 
Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungs- 
vorschriften und Einrichtungen zu beschließen hat, sofern nicht durch 
Reichsgesetz etwas anderes bestimmt ist, auch auf die Militär- und 
Marineverwaltung Anwendung findet'). Diese Verfassungsbestimmung 
gibt aber nur eine teilweise Lösung; denn die Ausübung des Verord- 
nungsrechts ist eben an die Voraussetzung gebunden, daß bereits ein 
Reichsgesetz erlassen ist. Der Bundesrat kann nur solche all- 
gemeine Verwaltungsvorschriften beschließen, welche »zur Ausführung 
der Reichsgesetze« erforderlich sind. Da nun ein Teil der das Heer- 
wesen und die Kriegsmarine betreffenden Anordnungen und Einrich- 
tungen nicht durch Reichsgesetze geregelt ist und auch nicht in der 
Form des Gesetzes geregelt werden soll, so ist auch für diese Gegen- 
stände ein Verordnungsrecht des Bundesrates verfassungsmäßig nicht 
begründet und ebensowenig ist der Bundesrat befugt, in die im’ Art. 63 
der Reichsverfassung dem Kaiser zugewiesenen Rechte des militärischen 
Oberbefehls einzugreifen ?). 
Für die Marine ist es nun selbstverständlich, daß alle Anord- 
nungen, welche weder in den Bereich der Gesetzgebung noch unter 
die Kompetenz des Bundesrats fallen, vom Kaiser resp. von den 
kaiserlichen Behörden, denen die Verwaltung der Marineangelegen- 
heiten obliegt, zu erlassen sind, da die Marine in der unmittelbaren 
und ausschließlichen Verwaltung des Reiches sich befindet. Dies hat 
auch im Art. 53, Abs. 1 der Reichsverfassung eine gesetzliche Stütze, 
und wenngleich in diesem Artikel das umfassende Verordnungsrecht 
des Kaisers keine ganz bestimmte und ausdrückliche Anerkennung 
gefunden hat, so ist dasselbe doch niemals von irgend einer Seite 
angefochten oder in Zweifel gezogen worden, und es ist dies auch 
der Natur der Sache nach unmöglich. 
Hinsichtlich des Heeres dagegen sind folgende Unter- 
scheidungen zu machen: 
a) Wenn eine Materie durch Reichsgesetz geregelt ist, so 
greift das im Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung anerkannte Recht 
des Bundesrates Platz, die zur Ausführung des Gesetzes erforder- 
lichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen zu 
beschließen, »sofern nicht durch Reichsgesetz etwas anderes bestimmt 
1) Abgesehen von Thudichum (Holtzendorffs Jahrb. II, S. 91) und von Rönne 
I, 2, S. 136, welche dem Kaiser das Verordnungsrecht in Militärsachen allgemein zu- 
schreiben, sind darüber alle Schriftsteller einverstanden. 
2) Vgl. auch Bd. 2, S. 207.
	        
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