Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 109. Die Versorgung der Militärpersonen und ihrer Hinterbliebenen. 235 
2. Die Verpflichtung des Staates zur Versorgung der Militärper- 
sonen beruht darauf, daß der Militärdienst den Betrieb einer anderen 
Erwerbstätigkeit stört oder ganz verhindert. Dies geschieht aber in 
doppelter Weise, teils dadurch, daß während der Leistung des Militär- 
dienstes, also während der Dienstzeit, die Erfüllung jedes anderen 
Lebensberufs untunlich ist, teils dadurch, daß der Militärdienst mit 
Gefahren für die Gesundheit verbunden ist, daß also infolge des- 
selben eine dauernde Störung der Erwerbsfähigkeit und unter Um- 
ständen noch überdies eine besondere Pflegebedürftigkeit eintreten 
kann. Die Pensionsgesetze erkennen demgemäß zwei verschiedene 
Grundlagen für die Versorgungsansprüche an, die Dienstzeit und 
die Dienstbeschädigung. 
Die staatliche Versorgungspflicht auf Grund der Dienstzeit ist 
aber nur dann begründet, wenn die Dienstzeit von so langer Dauer 
war, daß sie das Aufsuchen von anderen Erwerbsquellen in der Tat 
verhinderte. Die Zeit des aktiven Dienstes auf Grund der gesetz- 
lichen Wehrpflicht im Frieden ist dafür in allen Fällen viel zu kurz 
und das Militärverhältnis der Personen des Beurlaubtenstandes be- 
wirkt überhaupt keine so eingreifende Beschränkung der Handlungs- 
freiheit und Erwerbstätigkeit, daß der Staat dafür eine Versorgungs- 
tätigkeit übernähme. Der Versorgungsanspruch auf Grund der Dienst- 
zeit ist daher — wenigstens der Regel nach — ein Anspruch auf 
Grund des berufsmäßigen Militärdienstes und steht begrifflich 
dem Versorgungsanspruch der Beamten auf Grund ihres berufs- 
mäßigen Staatsdienstes ganz gleich. Daß die Invalidität infolge des 
Militärdienstes entstanden sei, ist keine Voraussetzung dieses An- 
spruchs. 
Der Anspruch auf Grund der Dienstbeschädigung dagegen 
ist von einer Dienstzeit von bestimmter Dauer unabhängig, hat aber 
den Kausalzusammenhang zwischen der Leistung des Militärdienstes 
und der eingetretenen Beschädigung zur Voraussetzung; er ist seinem 
Wesen nach dem Anspruch auf Grund der Unfallversicherung 
gleichartig; er kommt daher allen Personen zu, welche sich den mit 
dem Militärdienst verbundenen Gefahren aussetzen müssen, gleichviel 
ob sie berufsmäßig oder auf Grund gesetzlicher Verpflichtung dienen. 
Bei einer konsequenten Durchführung des Rechtsgedankens, auf wel- 
chem dieser Anspruch beruht, müßte auch das Maß der Eintschädi- 
gung von der Länge der Dienstzeit unabhängig 'sein und sich allein 
nach der Schwere der Beschädigung und dem Grade der Erwerbs- 
störung bestimmen. Allein dies ist nur für besonders schwere Be- 
schädigungen und für besondere Erhöhungen der Gefährlichkeit des 
  
sich auch auf den Erlaß von besonderen Ausführungsbestimmungen zum Pensions- 
gesetz für das Heer erstrecke, ist bereits 1875 bei Gelegenheit des Erlasses der Aus- 
führungsbestimmungen zum Gesetz von 1871/74 im Bundesrat verhandelt und ver- 
neinend entschieden worden. Protokolle des Bundesrats 1875, 8 124.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.