$ 110. Begriff der Militärlasten und allgemeine Rechtssätze. 255
Ihrem Rechtsgrunde nach gehören sie demöffentlichen
Rechte an; sie beruhen wie die Wehrpflicht auf dem objektiven Rechte,
auf dem Gesetz ; sie unterscheiden sich hierdurch von den auf Rechts-
geschäften beruhenden Verpflichtungen, insbesondere von den kon-
traktlichen Obligationen der Lieferanten. Die Militärlasten bilden aus
diesem Grunde einen Gegenstand des staatlichen Verwaltungsrechts,
d. h. ihre Verteilung, Erhebung, Geltendmachung usw. geschieht nach
den Grundsätzen des öffentlichen Rechts im öffentlichen Interesse
durch die Verwaltungsbehörden, während die Rechte und Pflichten
der Armeelieferanten lediglich nach den Regeln des Privatrechts zu
beurteilen und im Wege des bürgerlichen Prozesses geltend zu ma-
chen sind.
Ihrem Inhalte nach stehen die Militärlasten aber den Verpflich-
tungen des Privatrechtes gleich; denn sie bestehen in allen Fällen nur
in Vermögensleistungen. Hierauf beruht der tiefgreifende Gegensatz
zwischen Militärdiensten und Militärlasten; die letzteren enthalten
keine Verpflichtung zur Treue, zum Gehorsam, zu persönlichem Dienst,
sondern sie betreffen lediglich das Vermögen. Eine Konsequenz die-
ses Gegensatzes zeigt sich rücksichtlich der verpflichteten Personen.
Die Wehrpflicht setzt einen Staatsangehörigen, einen der Staatsgewalt
unterworfenen Menschen voraus; die Militärlasten treffen das der
Staatsgewalt unterworfene Vermögen. Ihnen unterliegen daher auch
alle juristischen Personen und alle Ausländer, wofern sie im Inlande
solche Vermögensstücke haben, welche von den Militärlasten berührt
werden, z. B.e Wohnräume, Grundstücke im Festungsrayon, Pferde,
Schiffe usw. Andererseits bleiben die Staatsangehörigen unberührt
von den Militärlasten hinsichtlich derjenigen Vermögensstücke, die sie
im Auslande haben').
Aus dem pekuniären Inhalt der Militärlasten ergibt sich aber noch
eine andere bedeutsame Folge, die einen wichtigen Unterschied ge-
genüber dem Militärdienst begründet. Die Erfüllung der Dienstpflicht
ist eine unschätzbare und unentgeltliche Leistung; es ist oben S. 161 ff.
bereits hervorgehoben worden, daß die vom Staate den Soldaten gewährte
Kleidung, Verpflegung, Löhnung usw. nicht Lohnzahlung, sondern
Alimentierung ist. Die Militärlasten dagegen sind Vermögensleistungen
und daher in allen Fällen abschätzbar und vergütungsfähig.
1) Man kann diesen Gedanken auch so ausdrücken, dafß3 bei der Wehrpflicht die
Personalhoheit, bei den Militärlasten die Territorialhoheit zur Geltung kommt, denn
die Wehrpflicht beruht auf der Rechtsmacht des Reiches über die ihm angehörigen
Personen, die Militärlast auf der Rechtsmacht des Reiches über das im Bundesgebiet
befindliche Vermögen. Ein solcher Gedanke scheint dem $ 1 des Kriegsleistungs-
gesetzes zugrunde zu liegen, welcher die Verpflichtung zu Kriegsleistungen als „eine
Verpflichtung des Bundesgebiets“ erklärte Der Berichterstatter des
Reichstages sagte, diese Fassung sei gewählt worden, „um klar auszudrücken, daß
das Bundesgebiet das in erster Linie zu den Kriegsleistungen verpflichtete
Subjekt sei“ (!. Stenographische Berichte 1873, S. 573.