Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

22 8%. Die Einheitlichkeit des Militärrechts u. der Heereseinrichtungen. 
ordnung beschränkt, daß diese Gesetzgebung »einzuführen ist«'). 
Wollte die Verfassung die Einführung dem Ermessen des Bundes- 
präsidiums überlassen, so hätte es keinen Sinn gehabt, ihm die »un- 
gesäumte« Einführung vorzuschreiben und gleichzeitig eine detaillierte 
Aufzählung der einzuführenden Vorschriften zu geben. Es ist auch 
nicht einzusehen, warum man nicht im Art. 61, Abs. 1 die Zuständig- 
keit des Kaisers (Bundesfeldherrn) ausdrücklich erwähnte, wenn man 
dieselbe anerkennen wollte. Wenn dagegen den Einzelstaaten 
die Verpflichtung zur Einführung der preußischen Militärvorschriften 
auferlegt werden sollte, so war die Fassung des Art. 61, Abs. 1 korrekt 
und sinnentsprechend. 
Tatsächlich ist allerdings die Auslegung zur Geltung gekommen, 
daß sowohl das Bundespräsidium als auch die Einzelstaaten zum 
Erlaß der Einführungsverordnungen zuständig gewesen seien; denn 
beide Formen sind angewendet worden’). 
c) Die im Art. 61 angeordnete einmalige Erstreckung der preu- 
ßischen Vorschriften auf das ganze Bundesgebiet konnte die Einheit 
der militärischen Vorschriften und Einrichtungen auf die Dauer nicht 
begründen. Hierzu bedurfte es einer Anordnung, welche auch den 
später ergehenden Vorschriften Geltung in allen Teilen des Reichs- 
1) In dem preuß. Entwurf lautete Art.58 in der Tat: „Mit Publikation die- 
ser Verfassung ist in dem ganzen Bundesgebiet die gesamte preuß. Militärgesetz- 
gebung eingeführt, sowohl usw.“ Die Fassung des Art. 61 beruht also auf einer 
bewußten und wohlberechneten Abänderung dieser Formulierung. Mit Unrecht 
behauptet daher BornhaklIIl S. 31, daß Art. 61 der Reichsverfassung die preuß. 
Gesetze zu „Reichsgesetzen“ erklärt habe. Gerade diese Annahme sollte durch die 
Abänderung der ursprünglichen Fassung ausgeschlossen werden. 
2) Vgl. die Verordnungen des Bundespräsidiums vom 7. November und 29. De- 
zember 1857 (Bundesgesetzbl. S. 125, 185) und die kaiserl. Verordnung vom 24. No- 
vember 1871 (Reichsgesetzbl. S. 401. Anderweitige Einführungen preuß. Vor- 
schriften durch Verordnung des Bundespräsidiums oder des Kaisers sind nicht er- 
folgt. Dagegen hat der Art. 61 eine mißbräuchliche Anwendung gefunden, indem 
die — erst nach Erlaß der Bundesverfassung ergangene — preuß. Verordnung vom 
23. September 1867 über die Kommunalbesteuerung der Staatsdiener durch Bundes- 
präsidialverordnung vom 22. Dezember 1868 (Bundesgesetzbl. S. 571) hinsichtlich der 
Heranziehung der Militärpersonen und der Hinterbliebenen derselben, sowie der 
Militärspeiseanstalten zu den Kommunalauflagen, im ganzen Bundesgebiet eingeführt 
worden ist. Man hat mit Grund die Rechtsgültigkeit dieser Verordnung in Zweifel 
gezogen. Durch das Reichsgesetz vom 28. März 1886 (Reichsgesetzbl. S. 65) 
$ 1 ist aber dieselbe insoweit außer Kraft gesetzt worden, als dieselbe der Heran- 
ziehung des außerdienstlichen Einkommens der im Offiziersrang stehenden Militär- 
personen, sowie der Pension der zur Disposition gestellten Offiziere zu den Gemeinde- 
abgaben entgegensteht. Aus dieser teilweisen Aufhebung im Wege der Reichs- 
gesetzgebung ergibt sich, daß die gesetzgeberischen Faktoren des Reichs von der 
Rechtsgültigkeit der Verordnung bei Erlaß des Gesetzes vom 28. März 1886 ausge- 
gangen sind und dieselbe, soweit sie nicht aufgehoben worden ist, bestätigt 
haben. Vgl. das Urteil des Reichsgerichts vom 28 März 1889 (Entsch. in 
Zivilsachen Bd. 24, S.1fg. und bei Reger Bd. 10, S. 308 ff... Unrichtig 
Arndt S. 460.
	        
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