256 8 110. Begriff der Militärlasten und allgemeine Rechtssätze.
Die Wehrpflicht ist ferner eine allgemeine, gleiche Untertanenpflicht,
die jeder, der dazu geeignet ist, nach dem Maße seiner Kräfte erfüllen
muß. Die Militärlasten dagegen legen einzelnen Personen nach zu-
fälligen Umständen Vermögenseinbußen auf, welche, da sie der Allge-
meinheit zugute kommen, von dieser, d. h. vom Staate, getragen wer-
den müssen. Die Forderung ihrer unentgeltlichen Leistung würde
eine schwere Unbilligkeit enthalten, eine willkürliche, vom Zufall ab-
hängige Rechtsungleichheit herbeiführen. In der Natur der Militär-
lasten ist es daher begründet, daß derjenige, der durch die Erfüllung
derselben getroffen wird, Anspruch auf Schadloshaltung hat. Der Staat
bedarf zur Befriedigung gewisser Militärbedürfnisse zwar gewisser Ver-
miögensobjekte oder Arbeitsleistungen, aber nicht, um sich ihren pe-
kuniären Wert anzueignen, sondern wegen ihrer tatsächlichen Unent-
behrlichkeit; gerade deshalb ist er verbunden, den pekuniären Wert zu
ersetzen. Hieraus ergibt sich der Rechtssatz, daß mit der Erfüllung
aller Militärlasten der Regel nach ein Entschädigungsanspruch gegen
den Fiskus verknüpft ist!).
Eine dritte Folge des Satzes, daß die Militärlasten Vermögens-
leistungen zum Inhalt haben, besteht darin, daß ihre Erfüllung stets
nur dann zu fordern ist, wenn die Militärbedürfnisse nicht auf ande-
rem Wege befriedigt werden können. Denn das für Durchführung
der Staatsaufgaben erforderliche Vermögen ist der Regel nach durch
die Mittel des Finanzrechts herbeizuschaffen. Die Staatswirtschaft ist
nicht Naturalwirtschaft, sondern Geldwirtschaft. In erster Reihe sind
daher auch die Bedürfnisse der Armee und der Flotte mit den im
System der Geldwirtschaft liegenden Hilfsmitteln, also durch privat-
rechtliche Geschäfte des Fiskus, zu befriedigen.
Die Militärlasten treten immer nur subsidär ein, wenn durch
die Umstände zu einer gewissen Zeit oder an einem gewissen Ürte
Bedürfnisse entstehen, denen wegen ihrer Natur oder wegen ihres
Umfanges durch die gewöhnlichen Mittel der Militärverwaltung nicht
genügt werden kann; insbesondere nicht durch Verwendung der be-
reits vorhandenen Vorräte oder durch Abschluß von Lieferungsver-
trägen oder anderen Verträgen. Jedoch ist das Vorhandensein dieser
Voraussetzung nicht im Rechtswege festzustellen, d. h. der Verpflichtete
kann sich der Erfüllung der Militärlast nicht durch die Behauptung ent-
ziehen, daß die Bedürfnisse der bewaffneten Macht auch ohne Bean-
spruchung der Leistungspflicht befriedigt werden können, und dar-
über eine richterliche Entscheidung herbeiführen. Denn der Staat
steht dem Verpflichteten nicht als Gläubiger, sondern als Herrscher
gegenüber, dessen Forderung den Charakter des obrigkeitlichen B e-
1) Einzelne Ausnahmefälle, in denen für gewisse Leistungen, z. B. für vorüber-
gehende Gewährung von Naturalquartier an mobile Truppen, kein Ersatz gewährt
wird, sind ausdrücklich als Abweichungen von der Regel anerkannt und bestätigen
daher die letztere.