& 112. Die Kriegsleistungen. 289
sich nötigenfalls zwangsweise in deren Besitz zu setzen!). Dieselben
Befugnisse stehen den Lieferungsverbänden zu, die sich hierbei der
Vermittlung der Gemeinden bedienen können?). Das Rechtsverhältnis
ist also in folgender Weise zu konstruieren: Verpflichtet zu den Kriegs-
leistungen dem Reich gegenüber sind prinzipiell die einzelnen Reichs-
angehörigen und die einzelnen Besitzer der im Reichsgebiet befind-
lichen, für Kriegsleistungen erforderten Vermögensstücke; die Befugnis
des Reiches zur zwangsweisen Erhebung der Leistungen ist aber den
Gemeinden delegiert, und dafür ist den Gemeinden die Haf-
tung für Erfüllung der geforderten Leistungen auferlegt’). Eine
Bestätigung findet dies in dem Satz, daß bei Weigerung oder Säumnis
der Gemeinden die Zivilbehörden und bei Gefahr im Verzuge auch
die Militärbehörden befugt sind, die Leistung von den einzelnen An-
gehörigen der Gemeinden, resp. von den Besitzern der erforderlichen
Gegenstände direkt zwangsweise herbeizuführen‘). Eine fernere Kon-
sequenz dieses Grundsatzes ist die, daß die Unterverteilung der Lei-
stungen innerhalb der Gemeinde und die Art und Weise der Auf-
bringung den Gemeinden überlassen ist, und daß diese Verhältnisse
teils durch die Gemeindegesetzgebung der Einzelstaaten, teils durch
Ortsstatut oder (remeindebeschluß geordnet werden können, daß da-
durch aber das Recht des Reiches nicht beschränkt werden kann, im
Bedürfnisfalle alle im Bereich der Gemeinde sich vorfindenden Hilfs-
mittel für Kriegsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Quartierleistung und Naturalverpflegung können die Gemeinden
für eigene Rechnung übernehmen und die erwachsenen Kosten auf die
hierdurch von unmittelbarer Leistung befreiten Pflichtigen nach Ver-
hältnis ihrer Verpflichtung zur Naturalleistung umlegen, so daß also
auch die Externen, wofern sie in der Gemeinde Besitztum haben, her-
anzuziehen sind. Alle anderen durch die Leistungen entstehenden
Barkosten sind von den zur Teilnahme an den Gemeindelasten Ver-
pflichteten aufzubringen; das Verhältnis, in welchem sie zu den Ge-
meindelasten im Frieden beitragen, ist daher auch für diese Barkosten
maßgebend. Die Vergütung für die den Gemeinden obliegenden La-
sten wird — wie bemerkt — diesen gewährt; die Gemeinden sind aber
verbunden, den mit Naturalleistungen und Diensten in Anspruch Ge-
nommenen die Vergütung in dem Umfange zu gewähren, in welchem
1) Kriegsleistungsgesetz $ 6, Abs. 1. 2) Ebendaselbst $ 18.
3) Rosin, Recht der öffentlichen Genossenschaften 1886, S. 53, nimmt im Gegen-
satz hierzu von der Haftung der Gemeinde den Ausgang und erblickt in der Haftung
der einzelnen eine praktische Konsequenz derselben. Ebenso Meyer-Dochow
S$ 210, Note 7. Auf eine nähere Erörterung der Frage kann hier nicht eingegangen
werden, da sie auf die theoretische Kontroverse über das Wesen der sogenannten
deutschrechilichen Genossenschaften zurückführt. Die richtige Ansicht wird jetzt
auch entwickelt von Hatschek, Lokal-Governement (Separat-Abdruck aus dem
Verwaltungsarchiv 1901) S. 100 fg., 123.
4) A.a.0.85.