334 $ 114. Der Reichsfiskus.
Verbrauchsabgaben — und ebenso der Reichsstempelsteuern — ist
ein verfassungsmäßiges Recht der Bundesstaaten (Reichsverfassung
Art. 36, Abs. 1); die damit betrauten Behörden der Bundesstaaten han-
deln daher nicht als Organe des Reiches oder in Vertretung des Reichs-
fiskus, sondern als Landesbehörden, also als Organe des Bundesstaa-
tes, welchem sie angehören’).
6. Eine besondere Erörterung bedarf die Frage, ob der Militär-
fiskus Reichs- oder Landesfiskus sei. Da nach Art. 58 der Reichs-
verfassung die Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des
Reiches von allen Bundesstaaten gleichmäßig zu tragen sind und die
Veranschlagung der Ausgaben durch den Reichsetat erfolgt, so treffen
alle Ausgaben und Einnahmen im materiellen Erfolge die Reichs-
kasse; die Heeresverwaltung wird für Rechnung des Reiches ge-
führt; Ersparnisse kommen der Reichskasse zugute; Etatsüberschrei-
tungen sind aus ihr zu decken. Die Rechnungskontrolle und Ent-
lastung steht Organen des Reiches zu. Dagegen ist die Militärverwal-
tung ein Recht der einzelnen Staaten; die Landesherren sind die Kon-
tingentsherren; sie üben die damit verbundenen Befugnisse nicht als
Stellvertreter des Reiches oder des Kaisers, sondern als ein eigenes,
ihnen verfassungsmäßig zustehendes landesherrliches Recht
und im eigenen Namen aus. Soweit sie auf die Ausübung des-
selben durch Militärkonventionen verzichtet haben, ist diese Ausübung
von ihnen dem König von Preußen übertragen worden. Es gibt so-
nach keine Reichsmilitärverwaltung, sondern vier Landesmilitärver-
waltungen (Kontingentsverwaltungen), und die mit dieser Verwaltung
betrauten Behörden, die vier Kriegsministerien von Preußen, Sachsen,
Württemberg und Bayern, sind Landesbehörden ?. Da es nun nach
den oben entwickelten Grundsätzen nicht darauf ankommt, für wessen
Rechnung eine Verwaltung geführt wird, sondern darauf, in wessen
Namen sie geführt wird, wer der dominus negotii ist, so ergibt sich,
daß gemäß der Reichsverfassung der Militärfiskus hinsichtlich der den
vier Kontingentsverwaltungen obliegenden Geschäfte Landesfis-
k us dieser vier Staaten ist. Alle Gründe, welche das Reichsgericht
in den zitierten Entscheidungen dafür geltend gemacht hat, daß die
Zoll- und Verbrauchssteuerverwaltung Sache des Landesfiskus
der Bundesstaaten ist, treffen auch für die Verwaltung der Militärkon-
tingente zu.
Dies wird auch durch Art. 67 der Reichsverfassung bestätigt. Denn
die Anordnung, daß Ersparnisse an dem Militäretat nicht einer ein-
zelnen Regierung, sondern jederzeit der Reichskasse zufallen, kann
nur unter der Voraussetzung, daß die Rechtsgeschäfte der Kontingents-
auch im Verhältnis zu den anderen Bundesstaaten, bzw. dem Reiche, für gemein-
schaftliche Rechnung.
1) Entscheidungen des Reichsgerichts Bd. 11, S. 97.
2) Siehe oben S. 5 ff., 67 ff., 105 fg.