Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

338 $ 114. Der Reichsfiskus. 
Ungefähr gleichzeitig wurden die Militärbeamten (ausgenommen in 
Bayern) durch das Reichsgesetz vom 31. März 1873 den von den 
Reichsbeamten geltenden Regeln unterstellt, und man hat dann aus 
8 149 und 151 dieses Gesetzes den — freilich unbegründeten — Schluß 
gezogen, daß die vermögensrechtlichen Ansprüche derselben aus ihrem 
Dienstverhältnis sich gegen den Reichsfiskus richten. Ja aus der 
Anordnung des $ 157, daß die Vorschriften des Gesetzes über das De- 
fektenverfahren auch auf Personen des Soldatenstandes Anwendung 
finden, ist sogar die Folgerung hergeleitet worden, daß alle in Militär- 
kassen befindlichen Gelder im Eigentum des Reiches stehen '). Fer- 
ner bewilligte das Gesetz vom 30. Juni 1873, $ 1, den Wohnungsgeld- 
zuschuß denjenigen Offizieren, Militärärzten und Unterbeamten, »welche 
eine Besoldung aus der Reichskasse beziehen«; auch aus dieser 
Ausdrucksweise wurde geschlossen, daß die Besoldung der genannten 
Personen nicht nur materiell auf Reichsrechnung gezahlt wird, sondern 
daß der Reichsfiskus auch formell der Träger der rechtlichen Verpflich- 
tung sei?). 
Die veränderte Auffassung trat auch in den im September 1873 
abgeschlossenen [neuen Militärkonventionen mit den thüringischen 
Staaten, Anhalt, Lippe und Schaumburg zutage, in welchen nicht mehr 
davon die Rede ist, daß Preußen sich verpflichtet, den diesen Staaten 
obliegenden Militäraufwand zu bestreiten, sondern in welchem ledig- 
lich bestimmt wird, daß Preußen die Verwaltung des Kontingents auf 
Grund des Reichsmilitäretats übernimmt und die Kosten »aus 
Reichsmiitteln« bestritten werden. 
Diese Vorgänge haben eine hervorragende staatsrechtliche 
Bedeutung. 
Der Reichsverfassung zufolge ist der Kriegsminister kein Reichs- 
beamter und dem Reichskanzler nicht untergeordnet. Dies ließ sich 
teilweise korrigieren, wenn man den Kriegsminister aus einem Ver- 
treter des preußischen usw. Staatsfiskus zu einem Vertreter des deut- 
schen Reichsfiskus machte. Denn da der »verantwortliche« Vertreter 
des Reichsfiskus der Reichskanzler ist, so wurde dadurch die 
preußische (sächsische, württembergische) Militärverwaltung in allen 
die Finanzen berührenden Angelegenheiten in ein, freilich nicht 
klar und bestimmt ausgeprägtes Unterordnungsverhältnis zum Reichs- 
kanzler gebracht. Die Verdrängung des Landesfiskus durch den Reichs- 
fiskus hinsichtlich der Kontingentsverwaltung war eine Korrektur 
der Reichsverfassung. Die finanzielle Verwaltung des Militär- 
wesens wurde nicht von der technischen Verwaltung desselben ge- 
trennt — was tatsächlich. ganz undurchführbar wäre —, sondern sie 
1) Vgl. Archiv für öffentliches Recht Bd. 4, S. 152. 
2) Ebendaselbst. Es ist freilich unschwer einzusehen, daß diese Argumente 
nicht stichhaltig sind.
	        
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