$ 114. Der Reichsfiskus. 341
sich hierdurch auch der Gerichtsstand des Reichsfiskus, in-
dem 8138 der Zivilprozeßordnung den Grundsatz sanktioniert hat:
»Der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus wird durch den
Sitz der Behörde bestimmt, welche berufen ist, den Fiskus in dem
Rechtsstreite zu vertreten.«
Der Reichsfiskus hat demnach, obgleich er eine einheitliche Rechts-
persönlichkeit ist, keinen einheitlichen allgemeinen Gerichtsstand; der
letztere bestimmt sich vielmehr nach den Geschäftskreisen der zur
Prozeßvertretung berufenen Behörden; er entspricht dem Gerichtsstande
der Niederlassung nach 8 21 der Zivilprozeßordnung.
IV. Für den Reichsfiskus gelten in jedem Rechtsgebiete diejenigen
Rechtsregeln, welche die dort geltende Gesetzgebung hinsichtlich des
einheimischen Staatsfiskus aufstellt; er nimmt daher auch teil an den
landesgesetzlich anerkannten fiskalischen Privilegien. Es folgt diese
Regel aus der Natur des Bundesstaates. Eine Anzahl von Aufgaben
des Staates sind an das Reich übergegangen, deren Durchführung nicht
bloß vermittelst der Ausübung von Hoheitsrechten (Staatsgewalt), son-
dern auch vermittelst des Abschlusses vermögensrechtlicher Geschäfte
erfolgt oder welche vermögensrechtliche Verhältnisse hervorbringen.
Dieselben Gründe, auf denen die Notwendigkeit beruht, daß jeder
Staat zugleich Subjekt von Herrschaftsrechten und von Privatrechten
ist, führen auch zu der Konsequenz, daß, soweit die Reichsgewalt an
die Stelle der Einzelstaatsgewalt getreten ist, auch der Reichsfiskus die
Stelle des Landesfiskus eingenommen hat und daß demnach die Rechts-
grundsätze, welche für den Landesfiskus gelten, auch auf den Reichs-
fiikus Anwendung finden ').
dung des Kammergerichts vom 17. März 1884. Abgedruckt in Johows
Jahrbuch 1884, S. 147. Hinsichtlich der Prozeßführung vgl. die zitierten Urteile des
Reichsgerichts vom 9. März 1888 und 24. September 1889. In Festungsbau-
angelegenheiten ist in Preußen durch eine (geheime) Ordre vom 3. Juli 1883 die
Prozeßvertretung des Militärfiskus den Fortifikationen übertragen, so daß derjenige,
der in Unkenntnis dieser „Geschäftsordnung“ die Klage gegen den „deutschen Reichs-
militärfiskus, vertreten durch das Königl. preußische Kriegsministerium in Berlin“
richtet, abgewiesen wird. Entscheidung des Reichsgerichts Bd. 35, S. 13ff. Ebenso
wer den Korpsintendanten anstatt der Direktion der Artilleriewerkstatt verklagt.
Entscheidung des Reichsgerichts Bd. 42, S. 66 ff. Dagegen hat das Reichsgericht
Bd. 43, S. 13 in einem Falle, in dem der Reichsmilitärfiskus als Kläger auftrat in
einer Sache, in welcher es sich um das zu einer Festung gehörende Gelände handelte,
angenommen, daß der preußische Kriegsminister zur Vertretung legitimiert sei und
zwar obgleich es sich um eine außerhalb Preußens gelegene Festung (Metz) handelte.
Eine Klage wegen Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft wurde
aber abgewiesen, weil sie gegen die betreffende Intendantur statt gegen das Kriegs-
ministerium gerichtet war. Entscheidung des Reichsgerichts Bd. 79, S. 355 ff.
1) Vgl. Annalen a. a. O.S. 41l. Uebereinstimmend: Seydel in Behrend
und Dahns Zeitschrift Bd. 7, S. 236 ff. und Kommentar S. 384; Dernburg, Preuß.
Privatrecht I, 8 57; :'Meyer-Anschütz, Staatsrecht 8 208; Mandry, Der zivil-
rechtliche Inhalt der Reichsgesetze S. 144; Zorn im Rechtslexikon a. a. O. S. 376;
Böhlau S. 17; Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 578; Hänell, S. 366,