354 8 115. Das aktive Reichsvermögen.
sich ergebende Unterscheidung widersprach aber dem praktischen Be-
dürfnis. In den einzelnen Verwaltungsressorts waren Gegenstände, die
aus der Zeit der Landesverwaltung stammten, mit Gegenständen, die
auf Bundeskosten angeschafft waren, zu einem einheitlichen Komplex
vereinigt, und ihre privatrechtliche Herkunft konnte nicht berücksich-
tigt, ja im Laufe der Zeit vielleicht nicht einmal festgestellt werden.
Auch war das Eigentumsrecht an diesen Gegenständen nicht von Be-
lang, da das Verwaltungsvermögen, wenngleich dasselbe dem Fiskus
privatrechtlich gehört, doch nicht von ihm im Vermögensinteresse aus-
gebeutet wird. Die Führung der Verwaltungsgeschäfte ist undenkbar
ohne die Verfügung über den hierzu erforderlichen Apparat, und dem-
gemäß wäre die Abtretung von Verwaltungen an dasReich ohne gleich-
zeitige Uebertragung des Gebrauchs- und Verfügungsrechts über die
zur Ausstattung dieser Verwaltungen bestimmten Gegenstände wider-
sinnig gewesen. Soweit infolge der Reichsorganisation Geschäfte und
Aufgaben der Verwaltung von den Einzelstaaten auf das Reich über-
gegangen sind, ebensoweit hat das Reich auch die Befugnis über-
kommen, das fiskalische Vermögen der Einzelstaaten zum Zweck der
Erledigung dieser Geschäfte und Aufgaben in demselben Umfange zu
benutzen, wie dies den entsprechenden Verwaltungsbehörden der Ein-
zelstaaten zugestanden haben würde. Durch dieses Recht des Reiches
zum Gebrauch war die zivilrechtliche Unterscheidung zwischen
den Vermögensstücken des Reiches und denjenigen der Einzelstaaten
praktisch wieder aufgehoben und das Inventar der einzelnen Reichs-
verwaltungen verwaltungsrechtlich zu einer Einheit verbunden
worden. Theoretisch war das Verhältnis nicht anders zu konstruieren,
als daß das Reich an den von den Einzelstaaten eingebrachten Gegen-
ständen das Eigentum des Landesfiskus behufs Erfüllung
der Verwaltungsaufgaben auszuüben befugt sei').
Diese »Ausübung« des fremden (landesfiskalischen) Eigentums ist
aber von der Ausübung des eigenen (reichsfiskalischen) in einer
nicht unwichtigen Beziehung verschieden, und zwar infolge der eigen-
artigen Natur des Verwaltungseigentums. Da diese nämlich auf der
Zweckbestimmung der einzelnen Vermögensstücke beruht, so ver-
lieren die letzteren den Charakter des Verwaltungsinventars und werden
freies (Finanz-)Vermögen des Fiskus, sobald sie für die Zwecke der
Verwaltung entbehrlich oder unbrauchbar werden. Die dem Reich
gehörenden Gegenstände werden hiernach, wenn sie für die Verwal-
eigentum zum überwiegend größten Teil aus verbrauchbaren Gegenständen besteht,
die durch die Verwaltungstätigkeit selbst konsumiert werden. Vgl. meine Aus-
führungen in Hirths Annalen 1873, S. 426, und die Erklärung des Staatsminister Del-
brück in der Sitzung des Reichstags vom 18. März 1873 (Stenogr. Berichte S. 23).
Ferner Seydel in Behrends Zeitschrift Bd. 7, S. 230fg.; Zorn, Staatsrecht II,
S. 223 ff.
1) Vgl. meine Erörterungen in Hirths Annalen a. a. O. S. 425.