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Die Höhe der letzteren bestimmt die oberste Behörde der Festungs-
verwaltung).
$ 116. Die Reichsschulden *).
I. Die Unterscheidung zwischen Finanzvermögen und Verwaltungs-
vermögen findet auch Anwendung auf die passiven Vermögensbestand-
teile eines Staates und erlangt hier eine besondere rechtliche Wichtig-
keit. Denn das Verhältnis des Staates zu den Gläubigern ist bei den
Finanzschulden ein rein privatrechtliches, bei welchem der Gläubiger
gleichberechtigt dem Fiskus auf dem Boden des Zivilrechts gegenüber-
steht; bei den Verwaltungsschulden dagegen mischt sich dem rein
zivilrechtlichen Verhältnis in vielen Fällen ein öffentlich-rechtliches
bei, welches die zivilrechtliche Seite des Verhältnisses bedingt und be-
einflußt?). Staatsrechtlich zeigt sich der Unterschied vorzüglich darin,
daß die Regierung zur Kontrahierung von Finanzschulden an und für
sich nicht ermächtigt ist, sondern der besonderen Ermächtigung
durch ein Gesetz bedarf, weil die Ausnutzung des Staatskredits außer-
halb der ordentlichen, durch die Verfassung und Gesetzgebung ge-
regelten Aufgaben der Staatsverwaltung liegt. Dagegen ist die Ent-
stehung von Verwaltungsschulden teils eine unmittelbare Folge der
Gesetzgebung selbst, welche dem Fiskus laufende Geldverpflichtungen
auferlegt, z. B. die Zahlung von Pensionen, Entschädigungen, Subven-
tionen u. dgl., teils eine notwendige Konsequenz der Führung der
Verwaltung. Die Regierung bedarf daher keiner besonderen Au-
torisation zur Uebernahme dieser Schulden; sie ist vielmehr durch
den allgemeinen Verwaltungsauftrag befugt, mit gültiger Wirksamkeit
für den Fiskus alle diejenigen Schulden zu kontrahieren und zu be-
zahlen, welche aus der Durchführung dieses Verwaltungsauftrages nach
Maßgabe der Gesetze sich ergeben.
Das positive Recht des Deutschen Reiches zieht aber die Grenz-
linie zwischen beiden Arten von Schulden etwas anders. Art. 73 der
Reichsverfassung bestimmt:
»In allen Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses kann
im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe,
des Reichsgesetzes vom 25. Juni 1873 in das Eigentum des Reiches übergegangen sei.
Die Richtigkeit dieser Argumentation ist nicht unbedenklich.
1) So ist 8 8 a. a. O. zu verstehen.
*, Meine Abhandlung in Hirths Annalen 1875, S. #35 ff.; v. Rönne, Staats-
recht des Deutschen Reiches Bd. 2, 1, S. 85ff.; Zorn, Staatsrecht II, S. 311 fg.;
G. Meyer-Dochow, Verwaltungsrecht $ 258; E. Meier, Art. Staatsschulden in
v. Holtzendorffs Rechtslexikon Bd. IIL, S. 760; v. Heckel, Art. Staatsschulden im
Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 2. Aufl., Bd. 6, S. 952; Specka.a. 0.
S. 99fg. Eine ausführliche Theorie des Staatsschuldenwesens, welche nicht bloß für
das französische Recht von Interesse ist, geben Boucard et J&ze, El&ments de
la science des finances (2. Aufl.), Paris 1901, S. 299 ff.
2) Vgl. hierüber Bd. 2, S. 188 ff.