376 8 117. Allgemeine Charakteristik und geschichtliche Entwicklung.
ausgaben der einzelnen Teile des Staates, keine anteilsmäßigen Bei-
träge zur Deckung der Kosten und’ keine Verteilung der Ueberschüsse,
sondern die Einheitlichkeit der Staatspersönlichkeit durchdringt auch
die Finanzwirtschaft des Staates. Andererseits gibt es bei konsequent
durchgeführter Gesellschaftswirtschaft nur Einnahmen und Ausgaben
der Mitglieder; denn wenn die gemeinschaftlichen oder »eigenen« Aus-
gaben und Einnahmen des Bundes unter dieselben nach einem be-
stimmten Maßstabe verteilt werden, so sind sie der Wirkung nach
Ausgaben und Einnahmen der Mitglieder‘). Dies ist auch dann der
Fall, wenn der Bund als solcher eine eigene, von den Mitgliedern
verschiedene vermögensrechtliche Person ist, sein eigenes aktives und
passives Vermögen hat und sowohl den Mitgliedern als dritten Per-
sonen gegenüber selbständige vermögensrechtliche Verhältnisse zu be-
gründen vermag. Der entscheidende Punkt, auf den es hier an-
kommt, ist allein der, ob die Sonderexistenz der Mitglieder in der
einheitlichen Finanzwirtschaft verschwindet oder in der quotenmäßi-
gen Verteilung der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben auf
die einzelnen Mitglieder zur Geltung kommt. Das charakteristische
Moment der Sozietätswirtschaft der Staaten wird gebildet durch die
Beiträge derselben zu den Ausgaben des Reiches und durch die
Ueberweisungen von Anteilen an den Einnahmen des Reiches.
Ueberall, wo diese Einrichtungen bestehen, hat die Finanzwirtschaft
eine gesellschaftliche Natur; denn alsdann bestehen »Anteile« im Gegen-
satz zur ungeteilten Einheit.
Daß bei der Errichtung des Norddeutschen Bundes und noch in
bestimmterer Durchbildung bei der Gründung des Reiches die Finanz-
wirtschaft nach dem Sozietätsprinzip organisiert wurde, ergibt sich aus
mehreren Bestimmungen der Verfassung mit voller Gewißheit. Nach
Art. 38 haben die drei süddeutschen Staaten an dem Ertrage der
Branntwein- und Biersteuer »keinen Teil«; im Art. 51 wurden für eine
gewisse Zeit prozentuale »Anteile« der Einzelstaaten am Postüberschuß
festgestellt und die Anrechnung der sich ergebenden »Quoten« auf
die »sonstigen Beiträge« derselben angeordnet; nach Art. 62 müssen
für das Heer bestimmte »Beiträge« von den einzelnen Staaten zur
Reichskasse fortbezahlt werden; nach Art. 79 ist die Differenz der
»gemeinschaftlichen« Ausgaben gegen die »gemeinschaftlichen« Ein-
1) Daß diejenigen Einnahmen und Ausgaben, welche unter sämtliche Mitglieder
nach demselben Maßstabe verteilt werden, gegen einander aufgerechnet werden und
nur die Differenz zur Verteilung kommt, ist lediglich ein Rechnungsverfahren zum
Zweck der Vereinfachung; in Wahrheit gibt es keine Einnahme und keine Ausgabe
einer Gesellschaft, die nicht dem Effekte nach eine Einnahme oder Ausgabe der
Mitglieder wäre. Tatsächlich kann diese juristische Natur der gesellschaftlichen
Wirtschaft verdunkelt werden, wenn sich zufällig die von den einzelnen Mitgliedern
zu leistenden Beiträge mit den ihnen zugute kommenden Einnahmeanteilen voll-
ständig decken.