Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

378 & 117. Allgemeine Charakteristik und geschichtliche Entwicklung. 
geführten Steuern nicht aufgenommen worden ist, hat die Finanzwirt- 
schaft des Reichs im wesentlichen den Charakter der einheit- 
lichen Staatswirtschaft wieder gewonnen und nur die Matri- 
kularbeiträge und die Ueberweisung der Erträge der Branntweinver- 
brauchsabgabe sind Reste der sozietätsartigen Wirtschaft, zu denen man 
auch die finanziellen Sonderrechte und Aversa einzelner Bundes- 
staaten zählen kann. 
II. Bei der Errichtung des Norddeutschen Bundes sollten dem Fi- 
nanzwesen des Bundes sehr enge Grenzen gezogen werden; der 
preußische Entwurf der Bundesverfassung war sorgsam dar- 
auf bedacht, die Finanzwirtschaft der Einzelstaaten vor jedem Ein- 
griff der Bundesgesetzgebung sicherzustellen. Einen besonderen, das 
Finanzwesen betreffenden Abschnitt enthielt der Entwurf überhaupt 
nicht und von einem Recht des Bundes, Steuern und Abgaben ein- 
zuführen, war in dem ganzen Entwurf keine Rede; die Zuständigkeit 
der Bundesgesetzgebung wurde darauf nicht erstreckt. Der Bund 
sollte nur zwei Einnahmequellen haben: die vom Zollverein her über- 
kommenen Zölle und Verbrauchsabgaben, zu denen die vom Salz hin- 
zutraten, und die Ueberschüsse des Post- und Telegraphenwesens. 
Andererseits sollte der Bund auch keine Ausgaben haben als für das 
Kriegs-, See- und Konsulatwesen. Der innere Zusammenhang _ dieser 
Bestimmungen war nicht zu verkennen; den Einzelstaaten sollten ihre 
Anteile an dem Ertrage der Zölle und Verbrauchssteuern genommen 
werden, dafür sollten sie von den Kosten der Landesverteidigung ent- 
lastet werden; es sollten ihnen ferner genommen werden die damals 
nicht sehr erheblichen Ueberschüsse von der Post und Telegraphie 
und dafür sollte der Bund die Kosten des Konsulatwesens überneh- 
men). Nun entging Bismarck natürlich nicht die Möglichkeit, daß 
die festbegrenzten Einnahmen nicht zur Deckung der Ausgaben für 
das Heer und die Marine ausreichen würden; er sah deshalb »Bei- 
träge« der Bundesstaaten für die Kriegsflotte und die damit zusammen- 
hängenden Anstalten nach dem Maßstab der Bevölkerung und einem 
zu vereinbarenden Normaletat für die Bundesmarine vor (Entw. Art. 
51, Abs. 3 und 4). Nach der Absicht Bismarcks sollten also die Bun- 
desglieder verfassungsmäßig sowohl vor neuen Steuern als vor unge- 
messenen Matrikularbeiträgen vollkommen gesichert sein; soweit die 
Bundesgesetzgebung aber sie zu »Beiträgen« zur Deckung der Bundes- 
ausgaben verpflichten würde, sollte es jedem Staat überlassen bleiben, 
in welcher Art und Weise er die dazu erforderlichen Geldmittel auf- 
bringen wolle. 
1) Art. 388 des Entw. lautet: „Der Ertrag der Zölle und Verbrauchsabgaben 
(Art. 36), sowie die Einkünfte vom Post- und Telegraphenwesen dienen zur Bestrei- 
tung der gemeinschaftlichen Ausgaben, namentlich für das Kriegs-, See- und Konsulat- 
wesen.“ Art. 48 wiederholt dies: „Die Ueberschüsse des Post- und Telegraphen- 
wesens gleich wie die Zolleinkünfte (Art. 38) dienen zur Bestreitung der Bundesaus- 
gaben, namentlich der für das Kriegs-, See- und Konsulatwesen.“
	        
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