8 118. I. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zoll- und Steuerwesens. 385
wesens hergestellt. Der deutsche Zollverein war nicht nur ein
kräftiges Band, welches die Mehrzahl der deutschen Staaten in der
Zeit, als sie souverän waren, zusammenbielt; er war nicht nur in
wirtschaftlicher und politischer Hinsicht eine Vorstufe, von der aus
die staatliche Neugestaltung Deutschlands angebahnt wurde, sondern
die in dem Zollverein ausgebildeten Einrichtungen wurden auch zum
groben Teil in die Bundesverfassung herübergenommen und bilden
teilweise noch jetzt einen Bestandteil des Reichsstaatsrechts. Die Ge-
schichte des Zollvereins kann man mit Recht als die Vorgeschichte
des Deutschen Reiches bezeichnen !).
Durch die Gründung des Norddeutschen Bundes wurde der Zoll-
verein, wie er zuletzt durch den Vertrag vom 16. Mai 1865 konstituiert
war, allerdings in sehr erheblicher Weise umgestaltet, und zwar eben-
sowohl hinsichtlich der in den Norddeutschen Bund eintretenden
Staaten als hinsichtlich der süddeutschen Staaten. In betreff der
ersteren wurde das Vereinsverhältnis ersetzt durch ein staatliches; an
die Stelle der Vereinbarung trat die Verfassung, an die Stelle der Künd-
barkeit und des Abschlusses auf bestimmte Zeit die Unkündbarkeit
und ewige Dauer; an die Stelle des Erfordernisses der Einstinimigkeit
zu allen Abänderungen der Zollgesetze und Einrichtungen der Weg
der Gesetzgebung und Verordnung; an die Stelle der Verteilung der
Frträge der Zölle und Verbrauchsabgaben an die Vereinsmitglieder
trat die Verwendung dieser Einnahmen zur Bestreitung der Bundes-
ausgaben. Wenngleich die Grundsätze, nach welchen die Zollverwaltung
und die Erhebung der Zölle und Abgaben im Zollverein geregelt waren,
im allgemeinen auch im Norddeutschen Bunde beibehalten worden
sind, so war doch der Verein als solcher unter den Mitgliedern des
Bundes nicht mehr vorhanden, sondern durch die staatliche Einheit
des Bundes absorbiert worden. Eine praktisch besonders wichtige
Folge dieses Prinzips bestand darin, daß. die einheitliche Regelung des
Zollwesens auch auf diejenigen Bundesstaaten und Gebietsteile des
Norddeutschen Bundes, welche dem Zollverein nicht angehört hatten,
Anwendung fand, insoweit nicht die Verfassung des Norddeutschen
Bundes selbst Ausnahmen festsetzte?2). Auch hinsichtlich der süd-
deutschen Staaten war der Zollverein, wenngleich er tatsächlich während
des Krieges von 1866 fortdauerte, rechtlich durch den Ausbruch des
Krieges und durch den staatlichen Untergang eines Teiles der Vereins-
mitglieder aufgelöst worden. In den einzelnen mit Preußen abge-
schlossenen Friedensverträgen (Art. 7 derselben) wurde dies von sämt-
lichen süddeutschen Staaten anerkannt, gleichzeitig aber vereinbart,
1) Ueber die Geschichte und die Verfassung des Zollvereins vgl. namentlich
v. Festenberg-Packisch, Die Geschichte des Zollvereins, Leipzig 1869;
Weber, Der deutsche Zollverein, Leipzig 1869, 2. Aufl..1872; Alb. Hoffmann,
Deutsches Zollrecht, I. Bd., Leipzig 1900.
2) Nordd. Bundesverf. Art. 40, Abs. 2.