386 8 118. I. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zoll- und Steuerwesens.
daß die Zollvereinsverträge wieder in Kraft treten sollten mit dem
Vorbehalt, daß jeder Kontrahent befugt sei, sie jederzeit sechs Monate
nach geschehener Aufkündigung zu lösen. Dieses Kündigungsrecht
benutzte Preußen als Handhabe, um eine Reform des Zollvereins her.
beizuführen, und es gelang der preußischen Regierung, den Zollver.
einigungsvertrag vom 8. Juli 1867 zustande zu bringen!). Dieser Ver.
trag wurde von fünf Kontrahenten, dem Norddeutschen Bunde und
den vier süddeutschen Staaten, geschlossen; er begründete ein Vereins-
verhältnis mit bestimmter Dauer (31. Dezember 1877), das aber still-
schweigend von 12 zu 12 Jahren verlängert werden konnte; er erhielt
die Vereinbarungen der älteren Zoll- und Handelsvereinigungsverträge
in Kraft, soweit sie nicht durch diesen Vertrag selbst abgeändert wor-
den sind; er führte aber die verfassungsmäßigen Formen und Organe
der Gesetzgebung und Verwaltung des Norddeutschen Bundes in ana-
loger Weise für die Erledigung der Vereinsgeschäfte ein (Zollvereins-
gesetze, Zollvereinsverordnungen, Zollvereinspräsidium, Zollbundesrat,
Zollparlament) ’).
Durch die Gründung des Deutschen Reiches fand auch dieser
Zollverein sein Ende; das Rechtsverhältnis unter seinen Mitgliedern
wurde in derselben Weise umgestaltet, wie durch die Errichtung des
Norddeutschen Bundes das Verhältnis unter den zu demselben ver-
einigten Staaten. Zwar wurden durch den Art. 40 der Reichsverfassung
die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom 8. Juli 1867
in Kraft erhalten, soweit sie nicht durch die Vorschriften dieser Ver-
fassung abgeändert sind; aber der Grundsatz, daß das Reichsgebiet ein
einheitliches Zoll- und Handelsgebiet bildet, die ausschließliche Be-
fugnis des Reiches zur Gesetzgebung über Zölle und über die im
Art. 35 aufgeführten Verbrauchsabgaben, das Verordnungsrecht des
Bundesrates, die Ueberwachung der Behörden der Einzelstaaten durch
den Kaiser usw. sind verfassungsmäßig festgestellt und an keinen
von dem Willen der Einzelstaaten abhängigen Endtermin geknüpft °).
Die Bezugnahme auf die Bestimmungen des Zollvereinigungsvertrages
im Art. 40 der Reichsverfassung darf nicht zu der irrtümlichen Ansicht
verleiten, als bestünde neben dem staatsrechtlichen Reichsverband
unter den deutschen Staaten noch ein besonderer vertragsmäßiger
Zollverband !). Der Inhalt der Bestimmungen ist hierfür unerheb-
1) Vgl. Thudichum, Verfassungsrecht des Nordd. Bundes, S. 39 ff.
2) Vgl. die eingehende Darstellung bei Thudichum S. 581 ff.
3) Vgl. Hänel, Studien I, S. 123 ff.
4) Diese Ansicht ist im Jahre 1881 von Vertretern der damaligen Reichsregierung:
als parlamentarischer Schachzug gegen den Reichstag aufgestellt worden; in der
staatsrechtlichen Literatur hat sie fast nirgends Zustimmung gefunden. Vgl. Del-
brück S. 9; G. Meyer in Hirths Annalen 1882, S. 777 und Verwaltungsrecht $ 224
Note 2; Zorn II, S. 243; SchulzelIl, S. 160; Seydel, Kommentar, S. 221 fg.;
v. Mayr.a.a.0.S.942, die sich sämtlich der hier dargelegten Ansicht angeschlossen