8 118. I. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zoll- und Steuerwesens. 389
seitige Rechte und Pflichten der vertragschließenden Staaten. Ganz
unabhängig davon war die staatsrechtliche Bedeutung der verabredeten
Bestimmungen in den einzelnen Staaten, je nachdem dieselben in den
Bereich des eigentlichen Verfassungsrechts, der Gesetzgebung oder der
Verwaltung eingriffen '. Durch den Art. 40 ist die völkerrechtliche
Bedeutung und Krafterloschen und aus dem übereinstimmenden Recht
der verbundenen Staaten ist ein einheitliches Recht des Reiches ge-
worden; dies ist die für alle Zollvereinssatzungen gemeinsame Anord-
nung. Aber diese Erhebung der Gesamtmasse der Zollvereinssatzungen
zum Reichsrecht ist in derjenigen Qualifikation erfolgt, welche den
einzelnen Bestimmungen nach ihrem Inhalt und mit Rücksicht auf
die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Reiches zukommt. Hier-
nach zerfallen die in Geltung erhaltenen Regeln der Zollvereinsver-
träge in drei Klassen: in Verfassungsvorschriften, in Gesetzes-
vorschriften und in Verwaltungs vorschriften?). Welche Bestim-
mungen in jede dieser drei Klassen gehören, ist weder bei der Ab-
fassung der norddeutschen Bundesverfassung noch bei der Beratung
der Reichsverfassung festgestellt worden, und zwar — wie der Präsi-
dent des Bundeskanzleramtes auf eine an ihn gerichtete Anfrage in der
Sitzung des Reichstages vom 7. Dezember 1870 erklärte —- weil diese
Klassifikation nicht nur schwierig und zeitraubend, sondern auch ge-
eignet sein würde, »eine Menge von Fragen diskutabel zu machen, die
von der Art sind, daß sie eigentlich nur dadurch zu Fragen werden,
wenn man darauf gestoßen wird, sie als solche zu behandeln«°). Die
Gesetzgebung hat die Lösung dieser Schwierigkeiten der Praxis und
der Wissenschaft überlassen, und die letztere hat nicht angestanden,
sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Es sind namentlich die vorzüg-
lichen Untersuchungen von Hänel (Studien I, S. 120ff.) und von
Delbrück (Art. 40 der Reichsverfassung) diesem Zweck gewidmet.
Aus den Bestimmungen der Zollvereinsverträge scheidet in dieser
Beziehung ganz aus, was durch die Reichsverfassung oder durch
1) Vgl. Bd. 2, S. 157 ff.; Hänel, Studien I], S. 124 ff.
2) Diese Ansicht ist auch in der Literatur fast allgemein als richtig anerkannt.
Vgl. G. Meyer, Verwaltungsrecht $ 224. Nur Thudichum in v. Holtzendorffs
Jahrb. Bd. 1, S. 9 und Zorn, Staatsrecht II, S. 244 behaupten, daß nur der Weg
der Verfassungsänderung und der Verordnung, nicht der der einfachen Reichsgesetz-
gebung zulässig sei. (Wenn v. Mayra.a. O.S. 943 auch Seydel als Vertreter
dieser Ansicht anführt, so beruht dies auf Mißverständnis.) Der von Zorn ange-
gebene Grund, daß Art. 7 der Reichsverfassung, auf welchen Art. 40 verweist, sich
nicht auf die Gesetzgebung bezieht, ist unrichtig; Ziff. 1 bezieht sich vorzugsweise
auf die Beschlußfassung über Gesetzesvorlagen. — Andererseits hat Seydelin
der ersten Auflage seines Kommentars zur Reichsverfassung S. 183 ff. die Zulässig-
keit von Abänderungen im Wege der Bundesratsverordnung bestritten, hat sich
aber in der zweiten Auflage der herrschenden Ansicht angeschlossen.
3) Stenograph. Berichte der II. außerordentl. Session des Reichstages von 1870,
S. 126 fg.; Seydel, Kommentar S. 266 fg.; Hänel, Studien I, S. 126.