Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 118. IIL Die Einheit der Zoll-Gesetzgebung und -Einrichtungen. 40% 
IH. Die Zoll-und Steuerverordnungen. ]1. Eine wirk- 
liche Einheit der. Rechtssätze und Gleichheit der Einrichtungen in 
betreff der Zölle und Verbrauchsabgaben , wie sie unerläßlich ist, 
um die Gemeinschaft der Erträge und die Freiheit des Verkehrs 
im Bundesgebiete herzustellen, hätte sich nicht erreichen lassen, 
wenn nur die Befugnis, Gesetzeim formellen Sinn zu erlassen, den 
Einzelstaaten entzogen und auf das Reich übertragen worden wäre. 
Der Art. 35 der Reichsverfassung würde einen schiefen und zugleich 
unzulänglichen Sinn erhalten, wenn man die Worte »das Reich aus- 
schließlich hat die Gesetzgebung über das gesamte Zollwesen usw.« 
auf die Gesetzgebung im formellen Sinn bezöge Denn entweder 
müßte dann das Reich sämtliche, das Zoll- und Steuerwesen be- 
treffenden Vorschriften im Wege der Reichsgesetzgebung erlassen, auch 
solche, die ihrem Wesen und Inhalt nach hierzu tatsächlich nicht ge- 
eignet sind; oder es wäre die Gleichmäßigkeit der Zoll- und Steuer- 
verwaltung gefährdet, indem die Staateninnerhalb des von der Reichs- 
gesetzgebung gesteckten Rahmens im Wege der Verordnung die Grund- 
sätze über Tarifierung, Klassifizierung,. Veranlagung, Erhebung und 
Stundung der Gefälle, Kontrollierung usw. in verschiedener Art und 
Richtung weiter ausbilden könnten. Indem der Art. 35 der Reichs- 
verfassung dem Reich ausschließlich die »Gesetzgebung« über das ge- 
samte Zollwesen und die fünf Verbrauchssteuern zuweist, entzieht es 
die Regelung dieser Staatstätigkeit der Zuständigkeit der Ein- 
zelstaaten und überträgt sie der Zentralgewalt, ohne Unterschied ob 
diese Regelung in der Form der Gesetzgebung oder in der Form der 
Verordnung erfolgt'). 
Bei der Betrachtung des Zoll- und Steuerwesens zeigt sich mit 
derselben Deutlichkeit wie bei allen anderen Verwaltungszweigen, daß 
die Unterscheidung zwischen Gesetzen und Verordnungen (im for- 
mellen Sinn) sachlich inhaltslos ist. Denn einerseits enthalten die 
Reichsgesetze über das Zoll- und Steuerwesen eine große Masse von 
Vorschriften, welche nicht die Rechtssphäre der Individuen gegenüber 
der Staatsgewalt, resp. der Einzelstaaten gegen das Reich, abgrenzen, 
sondern lediglich die Organisation und Tätigkeit der Zoll- und Steuer- 
behörden als Internum der Verwaltung normieren, welche also ihrem 
Inhalte nach Verwaltungsvorschriften sind; andererseits begnügen sich 
die Reichsgesetze in sehr zahlreichen Beziehungen damit, allgemeine 
Rechtsgrundsätze hinzustellen oder die Zulässigkeit gewisser Abwei- 
chungen von der Rechtsregel anzuerkennen, überlassen aber die Fest- 
stellung der näheren Durchführung der Regel oder die Normierung 
der Voraussetzungen und Bedingungen der zugelassenen Modifikationen, 
des Umfanges der letzteren usw., also Vorschriften von Rechtsin- 
halt, dem Verordnungswege?). Die Behauptung, daß die Rechts- 
1) Vgl. Bd. 2, S. 68. 
2) Vgl. Bd, 2, S.88 ff. und übereinstimmend Hänel, Studien II, S. 72. 
 
	        
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