$ 118. III. Die Einheit der Zoll-Gesetzgebung und -Einrichtungen. 411
und Handhabung der Vereinsabreden auszugleichen. Diesem Zwecke
dienten die regelmäßig abgehaltenen Generalkonferenzen der
Zollvereinsstaaten, deren Beschlüsse rechtlich ebenfalls den Charakter
vertragsmäßiger Vereinbarungen hatten‘). Durch die Gründung des
Norddeutschen Bundes und die Erweiterung des letzteren zum Reich
trat an die Stelle der völkerrechtlichen Konferenz das staatliche Or-
gan und man kann daher mit Recht in bezug auf die sachliche Kom-
petenz den Bundesrat als den Nachfolger der Zollvereinskonferenzen
bezeichnen. In der Verfassung des Norddeutschen Bundes wurden
die Befugnisse des Bundesrates im Art. 37 in dem das Zoll- und Han-
delswesen betreffenden Abschnitt und nur in Beziehung auf dieses
normiert und es ist unbestritten, daß die Tendenz dieses Artikels dar-
auf gerichtet war, dem Bundesrat alle Funktionen zu übertragen, welche
von der Generalzollkonferenz ausgeübt worden waren. An die Stelle
der völkerrechtlichen Form traten aber die staatsrechtlichen Formen
und demgemäß unterschied der Art. 37 unter Ziff. 1 und 2 die Ge-
setzgebung mit Einschluß der Staatsverträge mit auswärtigen Staaten
und die Verordnungen. In der Reichsverfassung ist diese Unter-
scheidung beibehalten, jedoch auf alle zur Kompetenz des Reiches
gehörenden Angelegenheiten erweitert und daher in den vom Bundes-
rat handelnden Abschnitt als Art. 7 gestellt worden.
Die Fassung der Norddeutschen Bundesverfassung und ebenso
diejenige der Reichsverfassung gibt dem erwähnten Gedanken aber
nicht den vollen Ausdruck. Der gemeinschaftlichen Gesetzgebung wer-
den gegenübergestellt: »die zur Ausführung der Reichsgesetze erforder-
lichen Verwaltungs vorschriften und Einrichtungen.« Es bleibt
demnach eine Lücke; es fehlt die verfassungsmäßige Ermächtigung des
Bundesrates zur Beschlußfassung über die zur Ausführung der Reichs-
gesetze erforderlichen Rechtsvorschriften?).
Allein diese Lücke ist in anderer Weise ausgefüllt worden, so daß
sie sich tatsächlich nicht fühlbar macht. Sämtliche Zoll- und
Steuergesetze des Norddeutschen Bundes und Reiches enthalten näm-
lich zahlreiche und umfassende Deiegationen für den Bundesrat,
durch welche demselben teils im allgemeinen der Erlaß der Ausfüh-
rungsbestimmungen, teils für besondere Gegenstände die Abfassung
von Regulativen übertragen wird. Auf Grund derselben hat der Bun-
desrat eine große Masse von Regulativen beschlossen, welche ihrem
Inhalte nach zum Teil wahre Spezialgesetze sind °).
1) Vgl. Bd. 1, S. 259 ff.
2) Vgl. Bd. 2, S. 89 ff., 207 ff. Daselbst ist die Ansicht von Arndt, daß Ver-
waltungsvorschriften die „von der Verwaltung aufgestellten“ Vorschriften seien,
bereits widerlegt worden.
3) Siehe oben S. 388 ff. und hinsichtlich der Verkündigung meine Erörterung im
Archiv des öffentl. Rechts (Bd. 18, S. 331ff.). O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht
(2. Aufl.) I, S. 368 behauptet, daß diese Regulative und Ausführungsbestimmungen