412 8 118. III. Die Einheit der Zoll-Gesetzgebung und -Einrichtungen.
Sollte sich aber das Bedürfnis herausstellen, Vorschriften von recht-
lichem Inhalte (Rechtssätze) hinsichtlich einer der im Art. 35 aufge-
fiihrten Angelegenheiten zu erlassen, ohne daß durch ein Reichsgesetz
eine Ermächtigung hierzu dem Bundesrat oder einem anderen Organ
des Reiches erteilt worden ist, so läßt die Reichsverfassung hierfür
keinen anderen Weg zu, als den der Reichsgesetzgebung. Den Ein-
zelstaaten ist die Befugnis hierzu durch Art. 35 der Reichsverfassung
ausdrücklich entzogen; der verfassungsmäßige Ausschluß der Landes-
gesetzgebung umfaßt auch den Ausschluß von Landesverordnungen.
3. Bei der Beschlußfassung des Bundesrats über die zur Ausfüh-
rung der Zoll- und Steuergesetze (Art. 35) dienenden Verwaltungsvor-
schriften und Einrichtungen gibt die Stimme des Präsidiums, d.h.
Preußens, alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechthaltung
der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht. Reichsverfas-
sung Art. 37%). Dies bedeutet nicht, daß die preußischen Stimmen bei
Stimmengleichheit den Ausschlag geben, d.h. den Stichentscheid haben;
denn dies ist im Art. 7, Abs. 3 a. E. allgemein für alle Beschlüsse des
Bundesrats bestimmt, sondern ebenso wie im Art. 5, Abs. 2, daß bei
jeder »Meinungsverschiedenheit« im Bundesrat der Widerspruch Preu-
Bens die Annahme des Vorschlags verhindert.
4. DerErlaß von Verwaltungsverordnungen ist dem Bundes-
rat nicht in vollem Umfang übertragen; Art. 7, Ziff. 2 der Reichs-
verfassung spricht nur von den »allgemeinen« Verwaltungsvor-
schriften. Die Verwaltung selbst ist den Einzelstaaten übertragen und
diese Selbstverwaltung schließt auch ein jus statuendi ein. Die Ver-
schiedenheit der Behördenverfassung, der Gemeindeordnungen, der
Polizeigesetze usw. und ebenso die Verschiedenheiten der lokalen Ver-
hältnisse, Verkehrsbedürfnisse und Lebensgewohnheiten müssen bei der
Verwaltung der Zölle und Verbrauchsabgaben in vielen Beziehungen
berücksichtigt werden und daraus ergibt sich für die Verordnungsge-
wali der Landesregierungen ein gewisser Spielraum. Nur soweit finan-
zielle, handelspolitische oder andere öffentliche Interessen eine Gleich-
mäßigkeit der Verwaltung erfordern, ist eine für sämtliche
Bundesmitglieder gemeinsame Instanz erforderlich und so wie
die Vereinbarungen der ehemaligen Generalzollkonferenzen sich auf An-
gelegenheiten dieser Art beschränkten, so hebt auch die Kompetenz
des Bundesrates keineswegs die Befugnis der Landesregierungen und
Landesbehörden auf, Verordnungen für die Verwaltung behufs Aus-
überhaupt keine Rechtsvorschriften enthalten, sondern nur Dienstanweisungen (In-
struktionen, Verwaltungsvorschriften.. Damit würden alle Schwierigkeiten sehr ein-
fach gelöst sein; der Inhalt dieser Verordnungen, namentlich der Ausführungsbestim-
mungen zu den Steuergesetzen, steht aber dieser Annahme entgegen. Diese Ver-
ordnungen enthalten vielfach Ergänzungen der Steuergesetze, auf welche diese selbst
hinweisen, und welche den gleichen rechtlichen Charakter haben, wie die in das
Gesetz selbst aufgenommenen.
1) Siehe Bd.1, S. 285; Bd. II, S. 207.