424 8 118. V. Die Zollpflicht.
I. Juristische Natur der Zollpflicht. Die Zollpflicht
ist ihrem juristischen Wesen nach keine Obligation, auch keine
obligatio ex lege, sondern eine auf dem zollpflichtigen
G’egenstande ruhende Belastung. Der Staat gestattet
nicht, daß die Ware im Inland in den freien Verkehr tritt, wenn ihm
nicht der Zoll dafür entrichtet wird; die Bezahlung des Zolls ist die
Bedingung, unter welcher der Staat den Verkehr mit der Ware ge-
stattet, und eine Verpflichtung besteht daher nur in dem Sinne, daß
jemand, der eine Ware in den freien Verkehr bringen will, diese Be-
dingung vorher erfüllen muß. Die Zollpflicht lastet daher nicht nach
Art einer Obligation auf einem bestimmten Schuldner, sondern nach
Art eines dinglichen Rechts auf einer bestimmten Ware.
Dieses dingliche Recht äußert sich zunächst darin, daß die Zollbehörde
die Ware unter Verschluß (oder Mitverschluß) oder Kontrolle nimmt
und jede Verfügung, durch welche die Ware in den Inlandsverkehr
gebracht werden könnte, verhindert. Die Zollpflichtigkeit der Ware
begründet für die Zollverwaltung das Recht zur Retention und zur
Beschlagnahme, eventuell zur Versteigerung. Durch Bezahlung des
Zolls wird diese rechtliche Verstrickung, dieses Verkehrsverbot ab-
gelöst. Die rechtliche Natur dieses Rechts wird verständlich durch
die dem deutschen Recht eigene Unterscheidung zwischen Haftung
und Schuldverhältnis '), sie tritt in der deutschrechtlichen Satzung, der
Haftung der verbodmeten Gegenstände, der Haftung von Schiff und
Ladung für große Havarie und Bergungslohn, beim Rentenkauf und
den Reallasten usw. deutlich zutage. Eine persönliche Leistungs- oder
Zahlungspflicht kann sich an die objektive Haftung anschließen oder
aus ihr hervorgehen; Haftung und Schuld schließen einander nicht
aus. Auch neben der dinglichen Haftung der zollpflichtigen Ware
kann eine Zollschuld bestehen; aber dies ist nicht wesentlich. Wenn
der Adressat der Sendung unbekannt oder nicht aufzufinden ist oder
die Annahme verweigert oder die Ware aus der Niederlage nicht ent-
nimmt, so bleibt zwar die dingliche Haftung der Ware für den Zoll
bestehen, aber es fehlt an einem persönlich zur Zahlung verpflichteten
Schuldner. Andererseits treffen die zur Sicherung der Zollentrichtung
vorgeschriebenen Pflichten, die Gegenstände vorzuführen, ihre Unter-
suchung zu gestatten, sie zu deklarieren, auch denjenigen, z. B. den
Reisenden, welcher keine zollpflichtige Ware mit sich führt, also ohne
daß eine Verpflichtung zur Zahlung eines Zolls überhaupt besteht. Die
selbständige dingliche Haftung der zollpflichtigen Gegenstände kann
unter Umständen ohne subjektive Zollverpflichtung zur Entstehung
1) Siehe die treffliche Darstellung darüber bei Lamp a. a0. S. 499 ff. mit
Rücksicht auf die Haftung für Zölle, sowie Otto Gierke, Schuld und Haftung.
Breslau 1910.