8 97. Der Oberbetehl über die bewaffnete Macht des Reiches. 39
des Kaisers unbedingte Folge zu leisten. Diese Ver-
pflichtung ist in den Fahneneid aufzunehmen.« Reichsverfassung
Art. 64, Abs. 1.
2. Behufs Ausübung des Befehls ist der Kaiser berechtigt, den
Höchstkommandierenden eines Kontingents, sowie alle Offiziere, wel-
che Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungs-
kommandanten zu ernennen. Die von ihm ernannten Offiziere leisten
ihm den Fahneneid. Auch innerhalb der einzelnen Kontingente darf
die Ernennung der Generale und der Offiziere, welche Generalsstel-
lungen versehen, nur mit jedesmaliger Zustimmung des Kaisers er-
folgen. Reichsverfassung Art. 64, Abs. 2.
Eine Ausnahme hiervon besteht für Württemberg. Die Be-
setzung der Generalsstellen in diesem Kontingent ist an die jedesma-
lige Zustimmung des Kaisers nicht gebunden und die Ernennung des
Höchstkommandierenden erfolgt nicht seitens des Kaisers, sondern
seitens .des Königs von Württemberg nach vorgängiger Zustimmung
des Kaisers!),. In Sachsen erfolgt die Ernennung der kommandie-
renden Generale seitens des Kaisers auf Vorschlag des Königs von
Sachsen und die Ernennung der anderen, ein Kommando führenden
Generale seitens des Königs von Sachsen unter Einverständnis des
Kaisers ?).
3. Der Kaiser hat das Recht der Inspektion’). Er kann jeder-
zeit von dem Zustande der einzelnen Kontingente sich persönlich oder
durch von ihm ernannte Inspekteure überzeugen, um festzustellen,
daß innerhalb des deutschen Heeres alle [ruppenteile vollzählig und
kriegstüchtig vorhanden sind, und er hat dafür zu sorgen, daß Ein-
heit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kom-
mando, in der Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualifi-
kation der Offiziere hergestellt und erhalten wird. Der Kaiser ist be-
fugt, die Abstellung der bei den Inspektionen vorgefundenen Mängel
anzuordnen. Reichsverfassung Art. 63, Abs. 3°).
1) Württemb. Militärkonvention Art. 5.
2) Sächs. Militärkonvention Art. 7.
3) Die besondere Hervorhebung und nähere Bestimmung des kaiserlichen In-
spektionsrechts, welches sich nach der Verfassung auf alle Kontingente, nicht bloß
auf das sächsische und württembergische, bezieht, hat nicht die Einheit des Reichs-
heeres, sondern die Kontingentsverfassung zur logischen Voraussetzung. Vgl. Güm-
bela.a. O. S.177. Für das preußischeKontingent und die durch die Militärkonven-
tionen ihm angegliederten Kontingente ist die verfassungsmäßige Ermächtigung des
Kaisers überflüssig; er hat das Inspektionsrecht auch ohne sie als Kontingentsherr.
4) Da alle Truppenteile den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge leisten
müssen, so ergibt sich, daß diese Anordnungen unmittelbar vom Kaiser an die be-
treffenden Truppen-Kommandobehörden ergehen können. Durch die Militärkonven-
tionen mit Sachsen, Art. 4, Abs. 2, und mit Württemberg, Art. 9, Abs. 2,
ist jedoch vereinbart worden, daß der Kaiser die infolge solcher Inspizierungen be-
merkten sachlichen oder persönlichen Mißstände dem Könige von Sachsen, resp.
von Württemberg, mitteilt, welcher seinerseits dieselben abzustellen sich ver-