430 8 118. V. Die Zollpflicht.
zeichnis berücksichtigt wird, desto schwieriger wird die richtige An-
wendung der Tarifsätze im einzelnen Falle. Es ist kaum anzunehmen,
daß alle mit der Zollabfertigung betrauten Beamte eine so umfassende
Warenkenntnis und eine so große Sicherheit in der Anwendung der
zahlreichen Tarifnummern besitzen, daß dadurch für alle Fälle die
richtige Festsetzung des Zollbetrages gesichert ist. Für die Importeure
von Waren und für jeden, welcher Waren vom Auslande bezieht, ist
es aber von Wichtigkeit, mit Sicherheit vorher zu wissen, wieviel er
an Zoll zu bezahlen haben wird, da der Zollbetrag oft einen sehr be-
trächtlichen Faktor der Bezugskosten ausmacht. Wenn die Zollbe-
hörde einen anderen Zollsatz anwendet, als der Importeur in seiner
Kostenberechnung angenommen hat, so kann dadurch die Geschäfts-
operation statt Gewinn zu versprechen, zu Verlust führen. Dazu
kommt die Gefahr, daß verschiedene Zollbehörden Waren derselben
Art verschiedenen Tarifpositionen unterwerfen und dadurch der eine
Importeur vor dem anderen bevorzugt und eine Konkurrenz unmög-
lich gemacht wird.
Zur Abstellung dieser Uebelstände hat der Bundesrat am 20. Ja-
nuar 1898 »Bestimmungen über die Erteilung amtlicher Auskunft in
Zolltarifangelegenheiten« beschlossen, welche seit dem 1. April 1898
in Kraft getreten sind. Durch das Zolltarifgesetz von 1902, $ 2 ist
diese Einrichtung zu einer reichsgesetzlichen Pflicht gemacht. »In
jedem Steuerdirektionsbezirk ist eine Behörde zu errichten, die auf
Verlangen über die Zolltarifsätze Auskunft zu geben hat, zu welchen
bestimmte Waren oder Gegenstände im deutschen Zollgebiete zuge-
lassen werden«!}).
Die Auskunft wird erteilt von der Direktivbehörde, zu deren Be-
zirk die Zollstelle gehört, bei welcher die Schlußabfertigung beabsich-
tigt wird?). Der Fragesteller hat anzugeben, ob er die gleiche An-
frage bereits an eine andere Direktivbehörde gerichtet und welche
Auskunft er von dieser erhalten hat, ob und über welche Zollstelle
die gleiche Ware bereits von ihm oder seines Wissens von anderen
eingeführt worden sei, und welcher Zollbehandlung sie dabei unter-
legen habe und bei welcher Zollstelle des Bezirks er die Schlußabfer-
1) Die näheren Bestimmungen sind jetzt enthalten in der Bekanntmachung vom
11. Januar 1906 (Zentralbl. S. 243).
2) Bestimmungen vom 11. Januar 1906, $ 1. Von der Errichtung eines Reichs-
tarifamtes zur Entscheidung von Zolltariffragen hat man Abstand genommen in
Rücksicht auf die den Einzelstaaten verfassungsmäßig zustehende Selbstverwaltung
der Zölle. Die Reichsbevollmächtigten haben aber von den erteilten Aus-
künften dem Reichsschatzamt Mitteilung zu machen und dieses hat dafür
Sorge zu tragen, daß Verschiedenheiten in den von mehreren Direktivbehörden über
dieselbe Ware erteilten Auskünften durch Vermittelung der beteiligten obersten
Landes-Finanzbehörde oder — wenn die Direktivbehörden verschiedenen Staaten an-
gehören — des Bundesrats mit größter Beschleunigung beseitigt werden. Be-
stimmungen Zift. 10 u. 11.