Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

40 S 97. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. 
4. Nach der Reichsverfassung Art. 63, Abs. 4 hat der Kaiser den 
Präsenzstand'), die Gliederung und Einteilung der 
Kontingente des Reichsheeres zu bestimmen. Diese Befugnis ist aber 
hinsichtlich des Friedensstandes des stehenden Heeres wesentlich ein- 
geschränkt worden durch die Vorschriften des Militärgesetzes und der 
dazu ergangenen Novellen; und es sind nunmehr folgende Unter- 
scheidungen zu machen: 
a) Hinsichtlich des stehenden Heeres im Frieden erstreckt 
sich die Befugnis des Kaisers nur auf diejenigen taktischen und ad- 
ministrativen Verbände, sowie auf diejenigen besonderen Formationen, 
welche in den Militärgesetzen nicht erwähnt werden ?). 
b) Hinsichtlich der Landwehr hat der Kaiser das Recht, die 
Organisation (Gliederung, Einteilung usw.) zu bestimmen, und er ist 
dabei nur an den Rechtssatz gebunden, daß die Territorialeinteilung 
des Bundesgebietes in 24 Armeekorps-Bezirke als Grundlage für die 
Organisation der Landwehr zu dienen habe ). 
c) Die Kriegsformation des Heeres, sowie die Organisation des 
Landsturmes bestimmt der Kaiser, ohne daß er hierbei irgend 
welchen gesetzlichen Einschränkungen unterliegt‘). 
5. Der Kaiser hat das Dislokationsrecht, d.h. das Recht, 
die Garnisonen der einzelnen Truppenkörper zu bestimmen, und zwar 
innerhalb des ganzen Bundesgebietes, so daß er den Truppenteilen 
der einzelnen Kontingente auch außerhalb ihres Staatsgebietes Garni- 
sonen anweisen kann’). Ueber die Ausübung dieses Rechtes) 
sind aber den meisten Staaten in den Militärkonventionen bestimmte 
Zusicherungen erteilt worden, und zwar in dreifacher Richtung: | 
a) Zahlreichen Staaten ist die Zusicherung erteilt worden, daß 
ihre Kontingente für die Dauer friedlicher Verhältnisse im eigenen 
Lande disloziert bleiben ’. Indessen sind Truppen mehrerer dieser 
pflichtet und von dem Geschehenen dann dem Kaiser Anzeige machen läßt. Hier- 
durch ist die Kollision, welche sich aus der verschiedenen Gestaltung des militärischen 
Verordnungsrechts und des Kommandorechts ergeben könnte, beseitigt und auch 
hinsichtlich des letzteren der Grundsatz zur Anerkennung gebracht worden, daß den 
materiellen Inhalt der Anordnung der Kaiser festsetzt, der formale Erlaß dem Kon- 
tingentsherrn zusteht. In den übrigen Staaten, welche ihre Kontingente dem preu- 
Bischen angeschlossen haben, ist eine solche Kollision dadurch vollkommen ausge- 
schlossen, daß der Kaiser zugleich die kontingentsherrlichen Rechte ausübt. 
1) Vgl. darüber $ 101. 
2) Außerdem enthalten die meisten Militärkonventionen bestimmte Verein- 
barungen über die Formation der einzelnen Kontingente, nämlich für Sachsen, Würt- 
temberg, Hessen, beide Mecklenburg, Baden, Oldenburg, die thüringischen Staaten, 
Anhalt und Braunschweig. 
3) Militärgesetz $ 5 (in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juni 1912). 
4) Militärgesetz 8 6. 5) Reichsverfassung Art. 63, Abs. 4. 
6) Jedoch unbeschadet der Fortdauer dieses Rechtes selbst in seinem ver- 
fassungsmäßigem Umfange. 
7) Konvention mit Sachsen Art. 5. Wenn im Interesse des Bundesdienstes 
der Kaiser zu einer Dislozierung der sächsischen Truppen sich bewogen findet, so
	        
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