Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 122. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer. 485 
(Reichsgesetzbl. S. 694)'). Dieses Gesetz wurde durch das Reichsgesetz 
über Aenderungen im Finanzwesen vom 3. Juli 1913 (Reichsgesetzbl. 
S. 321) 8 4 und 5 abgeändert, indem die Abgabe erhöht und der An- 
teil der Bundesstaaten an ihrem Ertrage verkürzt wurde Die Ein- 
führung einer Erbschaftssteuer für das Reich war die erste Ueber- 
schreitung der Grenze zwischen Reichs- und Landessteuern, welche 
seit der Gründung des Reichs bis dahin eingehalten worden war). 
A. Die Erbschaftssteuer. 
I. Gegenstand der Steuer ist der Erwerb von Todes wegen, 
d. h. was durch Erbfolge, Vermächtnis oder als Pflichtteil erworben 
wird. 
1. Der Begriff der Erbfolge, des Pflichtteils, des Vermächtnisses 
und der Schenkung von Todes wegen bestimmt sich nach dem Bür- 
gerlichen Gesetzbuch. Auch ein Erwerb, infolge einer durch die 
letztwillige Verfügung angeordneten Auflage oder einer Leistung, 
von welcher der Erblasser einen Erwerb von Todes wegen abhängig 
gemacht hat. $1'). Das gleiche gilt von einem Erwerb durch Rechts- 
geschäft unter Lebenden mit der Bestimmung, daß er auf den Pflicht- 
teil angerechnet werden soll und von Abfindungen für einen Erb- 
verzicht oder für Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächt- 
nisses. $ 2. Das Gesetz hat im 8 3 die Steuer auch erstreckt auf 
einige Fälle, die nicht eigentlich als Erbfolge zu charakterisieren sind, 
in denen aber durch den Tod einer Person ein Vermögenserwerb für 
eine andere bewirkt wird; insbesondere die Lehns- und Fideikommiß- 
folge, der Erwerb aus einer Familienstiftung und aus einer Versiche- 
rung auf den Todesfall‘). 
2. Der Erbschaftssteuer ist unterworfen das bewegliche Ver- 
mögen eines Erblassers, welcher zur Zeit des Anfalls an den Erwerber 
ein Deutscher war und zugleich einem Bundesstaate angehörte. Der 
bewegliche Nachlaß eines Erblassers, welcher unmittelbar reichsange- 
hörig war, unterliegt der Steuer nicht; ebensowenig das Vermögen eines 
Deutschen, auch wenn er einem deutschen Bundesstaate angehörte, 
welches sich in einem deutschen Schutzgebiete befindet, wenn der 
1) Ausführungsbestimmungen des Bundesrats vom 16. Juni 1906, Zentralbl. 
S. 829 und vom 18. Juni 1914, Zentralbl. S. 373. 
2) Siehe oben $ 117 III, S. 382 ff. 
3) Nach einer merkwürdigen Entscheidung des Reichsgerichts vom 10. Okt. 1911 
(Bd. 77, S. 238) hat auch derjenige, welcher den Pflichtteilsanspruch nicht geltend 
macht und auch nicht die Absicht hat, ihn geltend zu machen, also in Wirklichkeit 
garkeinen Erwerb von Todes wegen macht, dennoch die Erbschaftssteuer zu 
entrichten. Daß diese Entscheidung unrichtig ist, dürfte trotz dem zu ihrer Begrün- 
dung aufgewendeten Scharfsinn selbstverständlich sein; denn das Gesetz erfordert 
für eine Erbschaftssteuer bestimmt und ausdrücklich einen Vermögenserwerb, eine 
Bereicherung. 
4) Besondere Bestimmungen fügt $ 4 hinzu über die Steuerpflicht der Adoptiv- 
kinder und über den Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft.
	        
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