& 123. Die Besitzsteuer. 493
Deszendenten und den überlebenden Ehegatten auszudehnen und sie
durch Zuschläge zu erhöhen, findet auch auf die Schenkungssteuer
Anwendung.
& 123. Die Besitzsteuer.
I. Das Reichsgesetz vom 14. Februar 1911 (Reichsgesetzbl. S. 33) ')
hateineWertzuwachssteuer eingeführt, welche beim Uebergange
des Eigentums an inländischen Grundstücken von dem Mehr-
wert, der ohne Zutun des Eigentümers entstanden ist, im Betrage von
10—30 Prozent je nach der Größe der Wertsteigerung erhoben wurde.
Von dem Ertrage der Zuwachssteuer erhielt das Reich die Hälfte, 10
Prozent erhielten die Bundesstaaten und 40 Prozent die Gemeinden
oder Gemeindeverbände, in deren Bereich das Grundstück sich befin-
det. Ges. 8 58. Die letzteren waren berechtigt, für ihre Rechnung
Zuschläge zu dem ihnen zufließenden Anteil zu erheben. 8 59. Als
durch das sogenannte Besitzsteuergesetz vom 3. Juli 1913 die Besteue-
rung auf den gesamten Vermögenszuwachs erstreckt wurde, der auch
die Wertsteigerung von Grundstücken umfaßt, konnte eine besondere
in die Reichskasse fließende Wertzuwachssteuer an Grundstücken da-
neben nicht aufrecht erhalten werden. Infolgedessen hätte das Reichs-
gesetz vom 14. Februar 1911 aufgehoben werden müssen. Dies ist
aber nicht geschehen; vielmehr hat das Finanzgesetz vom 3. Juli 1913
81 das Gesetz aufrecht erhalten, jedoch bestimmt, daß für
alle nach dem 30. Juni 1913 eintretenden Fälle der Steuerpflicht die
Erhebung des Reichsanteils fortfällt. Das Gesetz hat daher für die
Gemeinden und Bundesstaaten seine Geltung behalten; für die Reichs-
finanzen aber hat es keine Bedeutung mehr. Demgemäß hat das er-
wähnte Finanzgesetz weiter bestimmt, daß die im Zuwachssteuergesetz
dem Bundesrat oder dem Reichskanzler übertragenen Befugnisse auf
die Landeszentralbehörde übergehen und diese befugt ist, sie auf nach-
geordnete Behörden zu übertragen. Das Finanzgesetz hat aber auch
den Grundsatz des Art. 2 der Reichsverfassung, daß Reichsrecht dem
Landesrecht vorgeht, außer Kraft gesetzt, indem es bestimmt:
»Durch Landesgesetz oder in Gemäßheit des Landesrechts durch
ortsstatutarische Vorschrift kann eine andere Regelung der Besteue-
rung des Wertzuwachses getroffen werden.«
Hiernach muß überall im ganzen Reichsgebiet eine Steuer von
dem Wertzuwachs der Grundstücke im Sinne des Gesetzes vom 14.
Februar 1911 von den Staaten und Gemeinden erhoben werden, aber
sie sind dabei an die Vorschriften dieses Gesetzes nicht gebunden; es
können an Stelle desselben bessere, den örtlichen Verhältnissen und
1) Kommentare vonBecher undHenneberg, Berlin 1911; Fr. Hoeniger,
Stuttgart 1911; Lion, Berlin 1912; W. Cuno, Erläuterungsbuch zum Z.-Gesetz,
Berlin 1912.