Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 125. Das finanzielle Verhältnis zwischen dem Reich u. d. Einzelstaaten. 511 
Zoll- und Steuerkredite gewähren. Es ist einleuchtend, daß jede 
Kreditgewährung eine Erleichterung und Herabsetzung des Zoll- und 
Steuerbetrages in sich schließt, daß es daher nicht in das freie Belie- 
ben des einzelnen Staates gestellt sein kann, die Kreditfrist in unbe- 
schränkter Weise auszudehnen und dadurch zugunsten seiner Ange- 
hörigen eine bedeutende Ungleichheit der Besteuerung einzuführen '!). 
Die Anordnungen für die Kreditfristen, die Minimal- und Maximalbeträge, 
die Art und Weise der Sicherstellung usw. sind von dem Bundesrat 
festgesetzt worden; da diese Anordnungen aber nicht als Verwaltungs- 
vorschriften angesehen werden können, sondern die Höhe der Steuern 
beeinflussen, also Rechtssätze enthalten, so war der Bundesrat durch 
Art. 7, Ziff. 2 und Art. 38, Ziff. 1 der Reichsverfassung ohne beson- 
dere Ermächtigung durch die einzelnen Steuergesetze des Reichs zum 
Erlaß dieser Anordnungen nicht zuständig. Der Reichstag verlangte 
daher wiederholt eine gesetzliche Feststellung der Bedingungen für die 
Gewährung von Zoll- und Steuerkrediten. Alle neuere Zoll- und Ab- 
gabengesetze tragen diesem Verlangen Rechnung und enthalten Be- 
stimmungen über die Stundung der Steuern und zwar regelmäßig mit 
der Unterscheidung, ob für die Zahlung Sicherheit geleistet wird oder 
nicht. Zugleich enthalten sie Ermächtigungen des Bundesrats zum 
Erlaß von Ausführungsbestimmungen?). In den Zollvereinsver- 
trägen war der Grundsatz festgehalten worden, daß die Zollkredite der 
Gesamtheit gegenüber als Barbestände zu behandeln seien °), durch das 
Reichsgesetz vom 4. Dezember 1871, 8 3°) wurde dagegen festgesetzt, 
daß die Bundesregierungen die Zölle und Abgaben erst dann an die 
Reichskasse abzuliefern haben, sobald die Beträge nach den bestehen- 
den Gesetzen und den dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen für 
ihre Kassen fällig geworden sind’). 
IV. Jeder Staat mit eigener Zoll- und Steuerverwaltung hat über 
die von ihm verwalteten Geschäfte Rechnung zu legen). Dies 
schließt eine doppelte Verpflichtung in sich, die Buchführung, Revi- 
sion und Verrechnung .der für die Reichskasse erhobenen Einnahmen 
innerhalb jedes Bundesstaates und die Abrechnung des letzteren mit 
dem Reich. 
1) Bei Gründung des Zollvereins im Jahre 1833 (Protokoll vom 29. November zu 
Art. 10a) wurde zunächst noch die Bewilligung der Zoll- und Steuerkredite dem Er- 
messen jeder Vereinsregierung überlassen. 
2) Die Bundesstaaten tragen die Gefahr für die von ihnen gestundeten Steuer- 
beträge. Siehe Ausführungsbestimmungen IV zum $ 7 des Spielkartengesetzes. 
Zentralbl. 1878, S. 404. Ueber die Behandlung der gestundeten Zölle und Reichs- 
steuern bei Kriegsgefahr siehe die Bestimmungen des Bundesrats vom 27. Oktober 
1910. Zentralbl. S. 658. 
3) Protokoll vom 29. November 1833 zu Art. 10a des Vertrages von 1833. 
4) Reichsgesetzbl. 1871, S. 413. 
5) Vgl. Hirths Annalen 1873, S. 504 ff. 
6) Specka.a. O.S. 172 ff.
	        
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