Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 127. Die Matrikularbeiträge. 519 
Einzelstaaten als Ausgabe aufführte, obgleich diese durch die Reichs- 
kasse hindurchfließenden Beträge weder Einnahmen noch Ausgaben 
des Reiches waren. Da die Ueberweisungen mit alleiniger Ausnahme 
der Branntweinverbrauchsabgabe, aber aufgehoben und in den seit 
1906 erlassenen Steuergesetzen nicht eingeführt wurden (siehe & 117), 
so braucht auf dieselben hier nicht weiter eingegangen zu werden, zu- 
mal die schlimmen Folgen derselben vielfach erörtert und von den 
Bundesregierungen wiederholt anerkannt worden sind. Um den Be- 
trag der infolge der Aufhebung der Frankensteinschen Klausel und der 
Einführung zahlreicher neuer Steuern dem Reich zufließenden und 
ihm verbleibenden Einnahmen verminderte sich das Erfordernis an 
Matrikularbeiträgen !); es blieben aber immer noch die Zuschüsse der 
Einzelstaaten zur Bilanzierung des Reichsetats bestehen und bei dem 
stark wachsenden Bedürfnis erhob sich für die Einzelstaaten von neuem 
die Gefahr, durch hohe und im voraus nicht sicher zu schätzende 
Matrikularbeiträge an ihrer Finanzwirtschaft schwer zu überwindende 
Störungen zu erleiden. 
Zur Abwendung dieser Mißstände brachte das Finanzgesetz vom 
3. Juni 1906, 8 4 (Reichsgesetzbl. S. 621) den neuen Grundsatz, daß 
wenn die aufzubringenden Matrikularbeiträge in einem Rechnungsjahr 
den Sollbetrag der Ueberweisungen um mehr als 40 Pfennig auf den 
Kopf der Bevölkerung übersteigen, die Erhebung des Mehrbetrages 
ausgesetzt wird, und, soweit sich ein solcher Mehrbetrag auch nach 
der Rechnung ergibt, dessen Erhebung erst im Juli 1909 stattfinden 
soll, sofern nicht durch Etatsgesetz etwas anderes bestimmt wird. Diese 
Anordnungen ermöglichen den Einzelstaaten, in ihrem Haushalt mit 
einer bestimmten Höhe des von ihnen zu zahlenden Matrikularbei- 
trags zu rechnen; aber sie wurden Schuldner des Reichs für dieihnen 
gestundeten Beträge, und ihre verfassungsmäßige Verpflichtung zur 
Deckung der Fehlbeträge der Reichswirtschaft blieb bestehen und 
konnte sie in ungünstigen Jahren empfindlich treffen. In der Tat 
wuchs die Schuld der Einzelstaaten an dasReich für diein den Jahren 
1906 —1908 gestundeten Matrikularbeiträge auf fast 146 Millionen Mark 
an, und die Fehlbeträge der Reichswirtschaft von 1907 und 1908 be- 
trugen fast 136 Millionen Mark. Es war unmöglich, diese Summen 
von den Einzelstaaten zu erheben, und es blieb nichts anderes übrig, 
als diese beiden Beträge auf dasReich zu übernehmen, d.h. sie durch 
eine Anleihe zu decken?). Dadurch wurde — zunächst nur für einen 
konkreten Fall — den Matrikularbeiträgen eine finanzrechtliche Be- 
deutung beigelegt, welche von der in der Reichsverfassung Art. 70 be- 
stimmten erheblich abweicht. Sie werden aus einem beweglichen 
1) Die Ueberweisungen, welche 1903 noch 542 Mill. Mk. betrugen, sanken im 
Etatsges. v. 1904 auf 196 Mill. Mk. und die Matrikularbeiträge von fast 566 Mill. Mk. 
auf 236 Mill. Mk. 
2) Nachtragsetat vom 27. Dezember 1909, Reichsgesetzbl. S. 989.
	        
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