Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 128. Bedeutung und Feststellung des Haushaltsetatsgesetzes. 533 
Bewilligung, ohne welche die Reichsregierung zur Leistung dieser Aus- 
gaben überhaupt nicht ermächtigt ist. Die anderen dürfen nicht ohne 
Zustimmung des Bundesrats vom Reichstag oder ohne Zustimmung 
des Reichstages vom Bundesrat aus dem Etat gestrichen werden ''). 
Ihre Bewilligung ist eine staatsrechtliche Pflicht des Reichstages und 
hat nicht den Charakter einer Zahlungsermächtigung für die Regierung, 
sondern eines Anerkenntnisses der Notwendigkeit oder Ange- 
messenheit der Ausgabe. Der eigentliche Rechtsgrund derselben 
ist unabhängig vom Etat in Reichsgesetzen oder Verträgen gegeben. 
Formell unterliegen zwar auch alle diese Ausgaben der »Bewilli- 
gung« des Reichstages, da das Etatsgesetz, wie jedes andere Gesetz, 
kein Wort, keine Zahl, überhaupt nichts enthalten kann, was nicht 
die Zustimmung des Reichstages gefunden hat; materiell aber ist 
diese Bewilligung keine wahre Bewilligung, weil der Reichstag nicht 
befugt ist, sie zu versagen. Die Reichsverfassung enthält auch keine 
Anordnung, aus welcher ein freies, ungebundenes Bewilligungsrecht 
des Reichstages zu entnehmen wäre. Art. 69 bestimmt, daß alle Ein- 
nahmen und Ausgaben für jedes Jahr veranschlagt und auf den 
Reichshaushaltsetat gebracht werden, und charakterisiert hierdurch die 
Bedeutung und das Wesen des Etats als eines Voranschlags. Art. 69 be- 
stimmt ferner, daß der Etat durch ein Gesetz festgestellt werden 
soll und normiert dadurch die Form, in welcher dieser Voranschlag 
seine definitive Gestalt erhält, und den Anteil, welcher dem Reichs- 
tage hierbei gebührt. Art. 71 endlich stellt als einen »Grundsatz«, wel- 
cher bei der Feststellung des Etats zu befolgen ist, den hin, daß die 
Ausgaben in der Regel für ein Jahr, in besonderen Fällen auch 
für eine längere Dauer bewilligt werden. Dieser Grundsatz bezieht 
sich daher auf die Zeit, für welche eine Ausgabe bewilligt wird; die 
Dauer der Bewilligung allein bildet den Gegenstand der Anordnung 
des Art. 71. Dagegen spricht dieser Artikel keineswegs von den V or- 
aussetzungen, unter denen eine Ausgabe der Bewilligung be- 
darf, und noch viel weniger ist darin die Regel enthalten, oder voraus- 
gesetzt oder auch nur angedeutet, daß die Bewilligung des Reichs- 
tages die notwendige und unerläßliche Voraussetzung sei für die Be- 
fugnis der Reichsregierung, überhaupt irgend eine Ausgabe zu leisten. 
V. Was die Einnahmen des Reiches anlangt, so spricht die 
Reichsverfassung von einer Bewilligung derselben seitens des 
Reichstages oder durch das Etatsgesetz nicht. Die Einnahmen des 
1) Durch diese Unterscheidung wird v. Mayr (Handwörterbuch der Staatswissen- 
schaften Bd. 6, S. 370) verleitet, den Etat zu charakterisieren als „ein Mosaik spezial- 
gesetzlicher Sanktionen und bloßer rechnerischer Konsequenzen anderweitiger Grund- 
lagen- oder Spezialgesetzgebung“. Gesetzgebung im materiellen Sinn ist aber die 
Bewilligung willkürlicher Ausgaben Mangels eines Rechtsinhalts nicht; und Gesetz 
im formellen Sinn ist das Etatsgesetz in allen seinen Teilen, auch hinsichtlich der 
schon durch andere Gesetze begründeten Ausgaben und Einnahmen.
	        
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