Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

538 $ 129. Die Wirkungen des Etatsgesetzes. 
gestatten, gewisse Ausgaben zu leisten, sondern die Verwaltungsbedürf- 
nisse selbst werden nach sachlichen Gesichtspunkten geprüft und kon- 
trolliert, die Notwendigkeit oder Nützlichkeit der Ausgaben wird aner- 
kannt oder verneint nach Maßgabe der bestehenden Gesetze und Ein- 
richtungen und der dem Staat (Reich) obliegenden Aufgaben und erst 
in zweiter Linie tritt die Sorge, Ausgaben und Einnahmen im Gleich- 
gewicht zu erhalten, hinzu. Der Etat bildet daher für die Verwaltung 
die Richtschnur, welche sie, soweites von ihrem Willen ab- 
hängt, befolgen muß. Daher ist der Etat als Ganzes bei der Rech- 
nungslegung nach Vollendung des Geschäftsjahres zugrunde zu legen 
und zwar auch nicht bloß in finanzieller Beziehung, sondern ganz all- 
gemein zum Zweck der Kontrolle der Verwaltung seitens des Reichs- 
tags und Bundesrats. Die Regierung kommt nicht mit dem Nachweise 
durch, daß sie nicht mehr als die etatsmäßige Gesamtsumme veraus- 
gabt habe, oder daß die von ihr geleisteten Ausgaben in den erhobe- 
nen Einnahmen ausreichende Deckung finden, sondern sie muß dar- 
legen, daß sie die Verwaltung dem ihr vorgeschriebenen Programm 
gemäß geführt habe, und sie muß alle Abweichungen davon, auch 
Mehreinnahmen und Minderausgaben, unter Angabe der Gründe nach- 
weisen. 
II. Die Form des Gesetzes kann zwar aus dem Etat kein Gesetz 
im materiellen Sinne machen, da durch Anwendung dieser Form an 
dem Inhalt des Etats nichts geändert und der Mangel einer Rechts- 
vorschrift nicht beseitigt wird; allein daraus folgt nicht, daß die An- 
wendung der Gesetzesforrm ohne Rechtswirkung wäre. Die Gesetzes- 
form schließt die Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags ein, 
und diese Zustimmung hat in diesem Falle wie in allen übrigen die 
Folge, daß die Reichsregierung von der Verantwortlichkeit 
entlastet wird. Dieser Satz ist keine Besonderheit des Budget- 
rechts, sondern er gilt für alle Regierungsakte; ja er ist nur die An- 
wendung eines allgemeinen über das Staatsrecht weit hinausrei- 
chenden Rechtsprinzips.. Wer für seine Handlungen einem andern 
verantwortlich ist, wird durch die Zustimmung des letzteren zu einer 
Handlung von seiner Verantwortlichkeit für diese Handlung entlastet, 
mag die Zustimmung im voraus oder nachträglich erteilt werden. 
Nicht die spezifische Form des Gesetzes ist also notwendig, um diesen 
Erfolg herbeizuführen, sondern nur das eineinihr enthaltene 
Moment: die Zustimmung der beiden Körperschaften. Zur Deckung 
der Verantwortlichkeit der Regierung wäre dies völlig genügend; we- 
der eine Ausfertigung noch eine Verkündigung, wie sie für Gesetze er- 
forderlich ist, brauchte hinzuzutreten. In der Tat wird diese einfachere 
Form bei der Genehmigung von Etatsüberschreitungen und außeretats- 
mäßigen Ausgaben, sowie bei der definitiven Rechnungslegung ange- 
wendet; die Regierung wird von ihrer Verantwortlichkeit für diese 
Ausgaben entlastet, indem jede der beiden Körperschaften für sich
	        
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