Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 129. Die Wirkungen des Etatsgesetzes. 545 
drucksweise, daß der Etat durch Gesetz, d. h. formell im Wege der 
Gesetzgebung festgestellt werde, die Folgerung zieht, daß die Leistung 
außeretatsmäßiger Ausgaben eine Ungesetzlichkeit, d. h. die Verletzung 
eines Gesetzesinhalts sei. Andererseits geht das Recht des Reichs- 
tages, die Notwendigkeit und Angemessenheit aller Ausgaben mit zu 
prüfen und darüber mit zu entscheiden, dadurch nicht verloren, daß 
diese Prüfung und Entscheidung nicht schon bei Aufstellung des all- 
gemeinen Finanzplanes erfolgen konnte oder erfolgt ist. Sein Aus- 
gabenbewilligungsrecht erstreckt sich auf alle Ausgaben des Reiches, 
gleichviel ob sie im Etatsgesetz eine Stelle gefunden haben oder nicht. 
Daraus ergibt sich zugleich die Natur des Bewilligungsrechtes des 
Reichstages hinsichtlich der außeretatsmäßigen Ausgaben als vollkom- 
men identisch mit seinem Recht der Mitwirkung bei der Etatsfeststel- 
lung selbst. Das Bewilligungsrecht des Reichstages ist kein ungebun- 
denes und willkürliches. Erkennt der Reichstag an, daß die Ausgabe 
aus rechtlichen oder faktischen Gründen notwendig oder angemessen 
war, so involviert dieses Anerkenntnis zugleich die Genehmigung ; der 
Reichstag kann nicht zugleich die Notwendigkeit einer geleisteten Aus- 
gabe zugeben und ihre Bewilligung versagen. Der Unterschied zwi- 
schen den etatsmäßigen und außeretatsmäßigen Ausgaben besteht — 
wie bereits oben dargelegt worden ist — darin, daß der Reichskanzler, 
welcher bei den etatsmäßigen Ausgaben von der Verantwortlichkeit 
für ihre Notwendigkeit und Angemessenheit von vornherein frei 
ist, bei den außeretatsmäßigen Ausgaben diese Verantwortlichkeit bis 
zur Bewilligung durch den Reichstag trägt; die Befugnisse des Reichs- 
tages aber sind materiell dieselben bei etatsmäßigen und außeretats- 
mäßigen Ausgaben. 
Die Bewilligung außeretatsmäßiger Ausgaben erscheint sonach sach- 
lich stets als eine Ergänzung und Berichtigung des Haushaltsetats; 
und wenn es möglich ist, die Genehmigung des Reichstages noch ein- 
zuholen, ehe die Ausgaben wirklich geleistet oder festgestellt sind, so 
ist die korrekteste Form die, durch einen Nachtragsetat, also in 
Gesetzesform, die Bewilligung zu konstatieren: Ist jedoch die Ausgabe 
tatsächlich geleistet, resp. das Wirtschaftsjahr bereits ganz oder zum 
größten Teil abgelaufen, so widerspricht es der Logik, in Form eines 
Voranschlages die Bewilligung auszusprechen, und es wird demgemäß 
die Genehmigung in Form von Resolutionen des Bundesrates und 
Reichstages erteilt. Trotzdem ist diese Genehmigung mit der in der 
Form des Etatsgesetzes erteilten gleichartig, insofern sie eine nur vor- 
läufige ist und die Regierung von der Pflicht der Rechnungslegung 
nicht entbindet. 
  
  
sagen, wenn derartige Ausgaben in den Etat aufgenommen würden und dem Reichs- 
tage also zugemutet werden sollte, zu bewilligen, daß in dem betreffenden Etats- 
jahre die Rinderpest in dem Umfange stattfinden dürfe, welchem die zur Zahlung 
von Entschädigungen bestimmte Summe entspricht?
	        
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